11.11.2000
Buch der 9a macht vergessene Ereignisse wieder lebendig / Berichte von kleinen und großen Leuten
Heiden (hhk). Was haben Heidrun Burkamp, Angelantonio De Lucia, Thomas Ridder, Friedrich Nowottny und Egidius Braun gemeinsam?
Sie und viele andere sind Zeitzeugen. Sie haben Schülern der Ludgerus-Hauptschule bei ihrem Projekt geholfen. Die Schüler wollten im Wettbewerb "50 Jahre Bundesrepublik Deutschland" mit einer Mischung aus Geschichten und Geschichte ein halbes Jahrhundert lebendig werden lassen. Da werden Erinnerungen wieder wach an politische, sportliche und kulturelle Höhepunkte.
Auf 354 Seiten bauen die Hauptschüler Brücken zum Entfallenen. Die Stories zum Schmökern sind faszinierend wie das Leben. Sie vermitteln die Botschaft, dass man beim Blick zurück durchaus etwas lernen kann. Die bearbeiteten Themen reichen von A wie autofreie Autobahnen über G wie Geiseldrama in Gladbeck und M wie Mode bis zu Z wie Zivildienst. Mitunter sind die Geschichten erschreckend, weil sie aktuelle Bezüge haben. So ein Fall ist der Rechtsextremismus in Deutschland. Seit 1992 stieg die Gewalt gegen Ausländer, zunehmend auch gegen Andersgläubige. Fremdenfeindliche Straf- und Gewalttaten in NRW haben die Schüler dokumentiert.
Buchdeckel der Schülerarbeit
an der Ludgerusschule
Neben anderen kommentiert Thomas Ridder, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Jüdischen Museums Westfalen, eine Gesetzesänderung, die der Bundestag 1994 beschlossen hat. Darin wird ein Leugnen nationalsozialistischer Massenmorde mit einem Freiheitsenzug von bis zu drei Jahren bestraft. Ridder schrieb den Schülern, er könne die Unterstrafestellung der so genannten "Auschwitz-Lüge" nur gutheißen. Eine Leugnung der Gaskammern von Auschwitz, Maidanek und anderer Vernichtungslager könne man nur als eine Verhöhnung aller Opfer, deren Angehöriger und der Überlebenden verstehen. 1964 wird der millionste Gastarbeiter begrüßt. Als Gastgeschenk erhielt er ein Moped. Viele ehemalige Gastarbeiter haben in Deutschland eine Heimat gefunden. Einer davon ist Angelantonio De Lucia. Er arbeitete zunächst im sauerländischen Fröndenberg in einer Metallfabrik. Dann entschloss er sich, sein Hobby zum Beruf zu machen. In Heiden übernahm er die geschlossene Molkerei. Seither werden in dem Werk Mozzarella Ricotta und Mascarpone hergestellt. Die De Lucias sind Italien sehr verbunden. Heiden ist ihnen eine zweite Heimat geworden.
1959 sind die Deutschen wieder auf Achse. Die erste Reisewelle rollt. Heidrun Burkamp berichtet unter der Überschrift "Bella Italia" über die Anreise mit einem Renault-Dauphine und das Campen am Gardasee: "Viel Geld hatten wir nicht, aber man war ja noch nicht so anspruchsvoll wie heute und kam mit relativ wenig Geld und vor allem mit wenig Komfort zurecht." 1952 strahlt das deutsche Fernsehen wieder aus. Für viele Bundesbürger war das ein Weihnachtsgeschenk. Einer der dazugehörte ist Friedrich Nowottny, später Intendant des WDR in Köln. Ganze 4664 Fernsehgeräte stellte die Industrie 1952 her, erinnert er sich. Ab Weihnachten wurden täglich zwei Stunden Programm gesendet. Dreimal in der Woche gab es eine Tagesschau. 14 Jahre war Johann Knüwer in Gefangenschaft. 1956 kehrte der Heidener als einer der letzten Spätheimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Auch er gab den Schülern ein Interview und schilderte die Schwerstarbeit im Bergbau, Betten in den Gefängnissen und die schlechte Versorgung mit Lebensmitteln.
P. Burkamp H. Ebber
Fehlen dürfen natürlich auch nicht der Fall der Mauer 1989, den Petra Burkamp als Studentin in Berlin erlebte, oder 1974 die Fußballweltmeisterschaft in München. Hermann Ebber erlebte das Endspiel zwischen Deutschland und den Niederlanden live im Olympia-Stadion mit.
Lob heimsten die Schüler nicht nur im Wettbewerb ein. Wie berichtet, landeten die Heidener unter den ersten 20 der 330 Teilnehmer. Christina Rau, Frau des Bundespräsidenten, schrieb in einem Grußwort: "Dem Leser bietet das Buch interessante Einblicke in das Denken und die Sichtweise der nachwachsenden Generation in der Rückschau auf diese 50 Jahre, in denen Freiheit und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland erlangt wurde."
> Das Buch der Ludgerusschule kostet 30 Mark und ist im Bürgerbüro am Rathausplatz sowie in der Schule zu erhalten.
(C)Ludgerusschule Heiden