von Josef Füllbier
Mein Name ist Josef Füllbier, ich bin heute 63 Jahre alt, im Jahr 1949 war ich 13 Jahre alt. An die Zeit habe ich noch ein gutes Erinnerungsvermögen. Die Großstädte Deutschlands, speziell die Stadt Essen, in der ich wohnte, waren total von Bomben zerstört.
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Wir sind aus der Evakuierung im Jahre 1946 wieder nach Essen gekommen. Wie schon gesagt, Essen war total zerstört. Unser Vater hatte uns in einem Trümmerhaus notdürftig eine Wohnung errichtet. Diese bestand aus zwei Räumen.
Noch im Jahre 1948 und zu Anfang des Jahres 1949 hatte die Wohnung keine Fenster und auch keine Fensterscheiben. In die Fenster waren Glasfiberplatten eingesetzt, die bei auch nur geringem Wind fürchterlich wackelten und Geräusche verursachten Es regnete an allen Ecken der Wohnung von oben durch, da das Dach nur notdürftig hergerichtet war.
Essen nach dem Zweiten Weltkrieg
Die Lebensmittelversorgung war abweichend von 1948 bereits zu Anfang 1949 nach der Einführung der DM wieder reibungslos, man konnte, wenn man Geld hatte, wieder ziemlich alles kaufen. Aber Geld hatte kaum jemand, denn ich erinnere mich, mein Vater, der sich kurz zuvor selbständig gemacht hatte, fing unmittelbar nach der Währungsreform bei der Firma Krupp in Essen zu einem Stundenlohn von 1,80 DM an. Und im Jahre 1949 lagen die Löhne für Facharbeiter auch nicht viel darüber, also pendelten sich um die 2,00 DM ein.
Allerdings waren die ganzen Waren natürlich entsprechend sehr viel billiger als heute. So kostete zum Beispiel, ich weiß das, weil ich mit meinem Vater häufiger eine Wirtschaft besucht habe, ein Glas Pils 30 Pfennig. Es kamen dann auch die ersten Autos, der berühmte Volkswagen, auf den Markt, aber das konnten sich nur begüterte Leute leisten.
Der erste VW-Käfer kostete damals im Jahre 1949 um die 1.500,-- DM. Das war eine alte Klapperkiste, es regnete durch, der Wind zog durch, der Wagen blieb häufiger stehen und sprang erst nach 15 minütiger Wartezeit wieder an, aber das wurde dann mit der Zeit auch besser.
Ich selbst habe seinerzeit die Realschule Essen-West besucht. Wir wurden dort von Lehrern unterrichtet, die gerade aus dem Krieg heimgekehrt waren. Ich erinnere mich, unsere Lehrer hatten alle noch umgearbeitetete Soldatenanzüge, weil es zu Anfang des Jahres 1949 entweder noch keine Zivilanzüge gab, oder diese zu teuer waren. Ein Lehrer verdiente seinerzeit nicht sehr viel Geld, im Gegensatz zu heute. Es ging alles in allem im Jahre 1949 in der ganzen Bevölkerung, so auch in unserer Schule recht bescheiden zu, wir alle stellten keine großen Ansprüche, haben uns auf den vermittelten Lehrstoff konzentriert.
Es fanden dann auch die ersten Jugendtouren statt, so waren wir alle damals in einer katholischen Jugendgruppe vereint, und machten bereits im Jahre 1949 mit unserem Pater Königsmann eine 14tägige Sommertour. Pater Königsmann organisierte einen Lastzug mit Hänger, auf dem 130 Jugendliche der Stephanuspfarre verfrachtet wurden. Man fuhr ins Sauerland. Pater Königsmann hatte dort 2 Gäule gekauft, diese wurden geschlachtet und von den 130 Jugendlichen verzehrt. Wir haben das allerdings erst nach Beendigung des Lagers erfahren, daß es sich um Pferdefleisch handelte. Vielen soll es danach schlecht geworden sein.
Gespielt haben wir damals in den Trümmern, ich muß sagen, es war eine sehr schöne und abenteuerliche Zeit, allerdings war es damals auch sehr gefährlich. Wir haben aus den Trümmerhäusern alles, was nicht niet- und nagelfest war, so zum Beispiel Bleileitungen, Kupferleitungen und Zinkdachrinnen, ausgebaut und beim Schrotthändler verkauft Man nannte das "Schore machen". Von dem geringen Erlös haben wir uns dann auf dem Frohnhauser Markt in der Sommerzeit Pflaumen und Birnen und Erdbeeren gekauft.
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