von Elisabeth Elsebusch
Wenn ich an dieses Jahr zurückdenke, fällt mir ein, dass die Folgen des 2. Weltkrieges für uns noch stark spürbar waren. Nach dem Verlust unserer Wohnung durch den Bombenhagel im März 1945 auf Stadtlohn, durch den mehr als 80% der Wohnungen zerstört wurden, bewohnten wir in Ottenstein eine 2-Zimmerwohnung. In diese Wohnung war ich mit unseren beiden Söhnen ( 5 Jahre bzw. 2 Monate alt) im Mai 1945 eingezogen. Danach erfuhr ich, dass mein Mann in russische Kriegsgefangenschaft geraten war. Erst im Juli 1947 war mein Mann aus der Gefangenschaft aufgrund einer Erkrankung entlassen worden. 1949 arbeitete mein Mann in einem 9 km entfernten Nachbarort.
Die Strecke musste er mit einem alten Damenfahrrad, der Rahmen war schon geschweißt, überwinden, da die neuwertigen Fahrräder bei einem Krankenhausbesuch in Wessum gestohlen worden waren.
Die Wohnungsausstattung aus Stadtlohn war zwar vor der Bombardierung mit Hilfe von Verwandten fast komplett in Sicherheit gebracht worden, aber nur ein Teil hatte in der 1945 bezogenen kleinen Wohnung Platz gefunden. Die Wohnzimmerausstattung mit Schrank, Tisch, Stühlen und Couch standen in der damaligen Wohnung des Hauptlehrers der Volksschule und wurden von diesem genutzt.
Unsere Wohnung bestand aus einem Wohnraum, einem Schlafraum und einem Vorratsraum im Keller. Zur Wohnung gehörten weder Küche, Bad noch eigene Toilette. Die Toilette war nur durch die Wohnküche, die Waschküche und die Stallung des Vermieters erreichbar. Der jeweilige Weg durch die Wohnküche des Vermieters war immer eine Belastung, sicher auch für die Familie des Vermieters. Im Wohnraum gab es keinen Wasseranschluss und keinen Abfluss. Das Wasser aus der Waschküche des Vermieters war moorig und daher zur Essenszubereitung und manchmal auch nicht zum Waschen geeignet. Trinkwasser gab es nur in der Nachbarschaft. Täglich wurde von dort Wasser in ca. 100 m Entfernung in einem 10-Liter-Eimer abgeholt. Natürlich waren wir dankbar, dass man das gute Wasser mit großer Selbstverständlichkeit aus der Wohnküche dieses Nachbarn abholen konnte. Es wurde mit einer großen Handpumpe mit langem Schwengel aus dem Hausbrunnen gewonnen. Spül- und Waschwasser mussten draußen in einem Regensammelschacht entleert werden. Die Kinder wurden in einer Zinkwanne gebadet, wie es überwiegend üblich war. Badezimmer gab es nur in wenigen Häusern des Dorfes. Wäsche wurde von vielen noch häufig am kleinen Bach des Dorfes gewaschen, der in der Nähe unserer Wohnung vorbei floss. Die schwierige Situation der Wasserversorgung im Dorf wurde erst verbessert, als der Gemeinderat beschloss, eine "Wasch- und Badeanstalt" zu errichten, die dann lange Jahre gute Dienste leistete.
Wir wohnten also mit vier Personen in den beiden Räumen, als im Mai 1949 unsere erste Tochter zur Welt kam. Die Wohnungssituation war damals insgesamt noch sehr angespannt, da außer den vielen kriegszerstörten Wohnungen viele Vertriebene in den verbliebenen Wohnungen und auf Bauernhöfen und in anderen Notunterkünften untergebracht waren, so dass an eine größere Wohnung nicht zu denken war. In einem Zimmer schliefen also 2 Erwachsene und 3 Kinder. In diesem Jahr hatte dann auch unser Ältester seine Erstkommunion, bei der es natürlich schwierig war, in dem einen Wohnraum die Gäste unterzubringen und zu bewirten.
In diesem Wohnraum musste immerhin auch noch das Essen zubereitet werden, da keine Küche zur Verfügung stand. Wichtige Lebensmittel wie Butter und Milch waren kaum zu haben. Der inzwischen neunjährige Sohn lief mehrmals wöchentlich zu Fuß nach Barle oder Hörsteloe, um von mehrere Kilometer entfernt wohnenden Bauern jeweils 2 Liter Milch zu holen. In späteren Gesprächen mit den Kindern wurde deutlich, dass sie die Situation nicht als so belastend empfunden haben. Aber für meinen Mann und mich war die Zeit schon schwierig. Angesichts des vielen Leides, dass der Krieg anderen Familien gebracht hatte, waren wir auch dankbar, keine Angehörigen verloren zu haben.
Vielleicht ist erwähnenswert, dass es seinerzeit etwas besonderes war, dass zu unserem Hausstand u.a. ein Radio, eine Schreibmaschine und ein Föhn gehörten. Das Radio führte dazu, dass sich in unserer kleinen Wohnung immer wieder Nachbarkinder einfanden, um interessiert den Kinderfunk zu verfolgen. Der Föhn machte im Dorf öfter die Runde und wurde sogar von einem Friseur ausgeliehen. Und die Kofferschreibmaschine rief insbesondere bei den Nachbarkindern große Bewunderung hervor. So hatte unsere kleine Wohnung doch etwas besonderes zu bieten, das damals nicht zur üblichen Wohnungsausstattung gehörte.
Vollständigerweise sei erwähnt, dass Weihnachten 1950 eine zweite Tochter geboren wurde, und der Älteste lief dann abends einige Jahre zur Wohnung einer Verwandten, wo er jeweils übernachtete. Natürlich waren wir glücklich, als wir dann ein kleines Eigenheim beziehen konnten, in dem für einige Jahre im Dachgeschoss noch eine kleine Mietwohnung für Vertriebene untergebracht war.
(C)Ludgerusschule Heiden