Verständigungsprobleme


... "Chruschtschow schien das Ende von Brentanos Ausführungen kaum erwarten zu können. Er setzte denn auch gleich danach zu einer emotionsgeladenen, von Drohgebärden begleiteten Entgegnung an, die sich bei der Frage nach dem Verbleib von hunderttausend und mehr Deutschen zu dem fast geschrieenen Satz steigerte: "Wo sind sie? In der Erde! In der Erde! In der sowjetischen Erde!"


Bildmontage: Adenauer - Kreml - Keil

Entzündet hatte sich sein Zorn an Adenauers Erwähnung dessen, was beim Einmarsch sowjetischer Truppen in Deutschland vorgekommen sei. Dahinter stand ein Übersetzungsproblem. Prof. Braun hatte Adenauers "entsetzliche Dinge" - sachlich völlig zurecht, aber sprachlich eine Nuance zu scharf - übersetzt mit "zlodejánija", was etwa "Greueltaten" heißt. Gegen dieses Wort richtete sich Chruschtschows ganze Wut, dies sei eine Beleidigung der Roten Armee, die man nicht hinnehmen könne. Bei der Rückübersetzung von Chruschtschows Rede erschien dann auch, völlig korrekt, mehrfach das deutsche Wort "Greueltaten". Adenauer bemerkte sofort, daß es vor allem um dieses Wort ging. Er stellte daher fest: "Dat hab ich nich jesacht!" Das Stenogramm bestätigte, daß er "entsetzliche Dinge" gesagt habe, was Prof. Braun, nunmehr leicht untertreibend, mit "stráschnyje wéschtschi" (= schreckliche Dinge) übersetzte, womit die Sache entschärft war. Bemerkenswert übrigens, daß auch auf sowjetischer Seite niemand dem Dolmetscher diesen Lapsus übelgenommen hat. - Die sowjetischen Herren bedankten sich auch an diesem Tage, wie immer, nach der Sitzung bei den Beteiligten Dolmetschern, was man von den Mitgliedern der deutschen Delegation nicht sagen konnte. ..."

Rolf-Dietrich Keil, "Mit Adenauer in Moskau", Bouvier Verlag 1997, S. 97/98
 

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