Elke Wülfing
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Berlin, 12.10.99
Elke Wülfing
Mitglied des Deutschen
Bundestages
Ludgerusschule Heiden
Klasse 9a
z.Hd. Frau Edith Wienen
Velener Str. 29
46359 Heiden
Die Entscheidung Bonn - Berlin
Liebe Edith Wienen, liebe Klasse 9a der Ludgerusschule Heiden,
vielen Dank für Euer Schreiben vom 10. Oktober 1999.
Ihr habt Euch ja eine Mammutaufgabe vorgenommen -50 Jahre Bundesrepublik Deutschland zu dokumentieren! Meine Hochachtung für die Idee und deren Durchführung! Sicherlich werdet Ihr die auf diese anschauliche Weise gewonnenen Erkenntnisse nie wieder vergessen. Das ist Geschichtsunterricht "live".
Gern will ich Euch dabei helfen und Eure Bitte erfüllen, über meine Bonn-Berlin-Entscheidung zu berichten.
Mit herzlichem Gruß
Eure
Die Entscheidung Bonn-Berlin
Kurz nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 begann -angeführt vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker -die Debatte darüber, wo zukünftig der Sitz von Bundesregierung und Bundestag sein soll.
Über die Frage: "Wie heißt die Hauptstadt der neuen Bundesrepublik", war man sich schnell einig: Das konnte nur Berlin sein. Man konnte nicht 40 Jahre lang die Wiedervereinigung im Grundgesetz fordern und die geteilte und dann wiedervereinigte Hauptstadt Berlin ignorieren.
Viele Bundestagsabgeordnete -so auch ich -waren der Meinung, dass Hauptstadtfunktion und Regierungs- und Parlamentssitz nicht unbedingt an einem Ort wie Berlin konzentriert sein müssten. Eine solche Trennung gibt es auch in anderen Ländern wie z.B. in den Niederlanden mit Den Haag als Regierungssitz und Amsterdam als Hauptstadt.
Für eine solche Trennung sprach meiner damaligen Auffassung nach unter anderem die demokratische Tradition Bonns, die die Bundesrepublik Deutschland zu dem gemacht hat, was sie heute ist: ein föderaler demokratischer Bundesstaat mit einem ausgewogenen Machtverhältnis zwischen Länderregierungen und Bundesregierung. Die Verlegung des Regierungssitzes nach Berlin beinhaltete für mich die Gefahr eines wiedererstarkenden Zentralismus.
Im übrigen befürchtete ich, dass sich die Verlegung des Regierungssitzes an den östlichen Rand der Europäischen Union auch auf die Einbindung Deutschlands in der EU negativ auswirken könnte.
Zum dritten war so kurz nach der Wiedervereinigung mit ihren hohen Kosten natürlich auch die Frage der Finanzierung zu stellen.
Die Abstimmung am 20. Juni 1991 im Bundestag, von der die "Bonn-Anhänger" gehofft hatten, sie würden sie gewinnen, ging dann mit 337- 320 (2 Enthaltungen) ganz knapp für Berlin aus.
Ob sich meine Befürchtungen bewahrheiten werden, kann man heute nach sechs Wochen Anwesenheit der Bundesregierung und des Bundestages in Berlin noch nicht beurteilen, das wird die Geschichte zeigen.
Berlin ist heute eine aufstrebende, lebendige Stadt mit großen Gegensätzen, die noch dabei ist, ihre Rolle als wiedervereinigte Hauptstadt mit Regierungs- und Parlamentssitz in Deutschland, Europa und in der Welt zu suchen.
(C)Ludgerusschule Heiden