Thomas Ridder
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
des Jüdischen Museums Westfalen
Historiker
"Der Bundestag beschließt eine Gesetzesänderung, die das Leugnen der nationalsozialistischen Massenmorde bestraft."
PERSÖNLICHE STELLUNGNAHME
Die Unterstrafe-Stellung der so genannten "Auschwitz"-Lüge kann ich nur gut heißen. Wer sich sehr intensiv mit der Geschichte des Nationalsozialismus beschäftigt, viele Zeitzeugenberichte gelesen bzw. persönlich mit Überlebenden des Holocaust gesprochen und ihre Lebensgeschichten gehört hat, kann eine Leugnung der Gaskammern von Auschwitz, Maidanek und anderer Vernichtungslager nur als eine Verhöhnung aller Opfer , deren Angehörigen und der Überlebenden verstehen.
Zu meinen eindrucksvollsten und zugleich tiefberührenden Erlebnissen gehört ein zweitägiger Besuch der Gedenkstätten Auschwitz I (Stammlager) und Auschwitz II (Birkenau). In unserer Gruppe befanden sich einige Personen, deren Angehörige in Auschwitz ermordet worden waren. Wenn Sie erleben, wie jemand im Archiv die Todesurkunde seines Vaters findet, der im Rahmen eines so genannten medizinischen Experiments zu Tode gespritzt wurde, wenn Sie vor den Trümmern der Gaskammern stehen, in denen der Großvater einer Mitreisenden ermordet wurde, dann kann man es nicht mehr akzeptieren, dass immer noch Personen die Vernichtung jüdischer Menschen leugnen und u.a. als antideutsche Propaganda bezeichnen.
Ebenso wenig kann ich es akzeptieren, dass, wie es heißt, "endlich ein Schlussstrich" gezogen werden müsste. Niemand - sei er auch noch so jung - kann aus der Geschichte entlassen werden. Auch wenn viele in Deutschland vergessen möchten, in vielen Ländern leben noch Menschen, die selbst Opfer des nationalsozialistischen Terrors geworden sind, bzw. deren Familienangehörige von Deutschen, gedemütigt, gequält und vielfach ermordet worden sind. Bei allem Wohlwollen gegenüber dem heutigen Deutschland, können sie oft noch nicht vergessen, was mit ihnen und ihrer Familie geschah.
Gerade deshalb bleibt für uns Jüngere auch heute noch eine Verantwortung gegenüber diesem Abschnitt unserer Geschichte bestehen. Von unseren Großeltern und Eltern können wir nicht nur deren Vermögen erben, sondern wir haben auch für ihre Schulden aufzukommen. In diesem Sinn müssen wir uns heute noch der Geschichte stellen - nicht als Schuldige, aber als Verantwortliche. Verantwortlich dafür, dass diese Zeit unserer Geschichte nicht unterdrückt, sondern aufgearbeitet wird. Ich meine, dass die Opfer und ihre Nachkommen ein Recht darauf haben.
Thomas Ridder M.A.
Historiker
22. November 1999
(C)Ludgerusschule Heiden