RECKLINGHAUSEN


 Leserecho

Ein Meer von Blut

Denn sie wissen nicht, was sie tun!

Vor einigen Tagen ging ich wie üblich mit meinem Hund frühmorgens spazieren und sah große Hakenkreuze auf Schaufenstern aufgesprüht. Ereignisse, die ich längst vergessen glaubte, drangen auf mich ein. Es ist so leicht, Nazi-Embleme auf eine Glasscheibe zu sprühen. Aber wißt Ihr denn nicht, was dahinter steht? Ein Meer von Blut war das Ergebnis.

Ich sah vor über 60 Jahren die Nazi-Schmierereien auf den Schaufenstern. Ich sah 1944 den SS-Mann, der ein Kleinkind aus den Armen seiner Mutter riß, es an den Füßen packte und mit dem Kopf gegen eine Wand schlug, so daß der Schädel platzte. Seine Kameraden lachten nur.

Ich sah im KZ Buchenwald den SS-Mann, der die zurückkommenden Häftlings-Arbeitsgruppen zählen mußte, der dem letzten Häftling die Mütze vom Kopf riß und sie durch das Eingangstor nach draußen warf. Der Häftling rannte, um die Mütze zu holen, der SS-Mann erschoß ihn auf der Flucht. Dafür bekam der Mann drei Tage Sonderurlaub.

Ich sah Menschen im KZ Buchenwald, die zu den mit Hochspannung geladenen Zäunen liefen, diese mit beiden Händen packten und so einem unerträglich gewordenen Leben ein Ende bereiteten.

Im KZ Theresienstadt sah ich große Flachwagen aus der kleinen Festung kommen, meterhoch mit Leichen beladen. 1944 sah ich aber auch die brennende Stadt Emmerich und eine deutsche Mutter, die vorbeirennenden Menschen zurief: "Meine Kinder verbrennen in dem Haus."

Ich sah die zerbombten deutschen Städte und den apathischen Blick der deutschen Zivilisten. Über 60 Millionen Tote in Europa, ein Meer von Blut nicht nur von Ausländern und Juden, sondern auch das Blut vieler Deutscher!

Das alles steht hinter dem Hakenkreuz, das Ihr so leichtfertig aufsprüht.

Ich bin ein bewußter Jude. Ich bin hier geboren so wie bereits meine Urahnen. Trotz der schrecklichen Vergangenheit liebe ich dieses Land. Es gibt heute viele Probleme. Greift aber nicht in die Vergangenheit zurück, sondern lebt für die Zukunft, damit Ihr nie das erleben müßt, was wir erlebten.

Harold Lewin
Am Polizeipräsidium 3
 

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