Christoph Kinner

Einsatz bei der Oderflut

Es war das 4. Wochenende meiner Grundausbildung beim Pionierbatallion 140 in Emmerich, als es hieß "Marschbereitschaft für einen möglichen Einsatz im Hochwasser-Katastrophengebiet Oder." Dies bedeutete, den Seesack packen und auf den Abmarsch zu warten. Doch dann schien es so, als ob wir doch nicht ausrücken würden und wir durften am Samstagnachmittag nach Hause fahren.

Am Montag, als wir gerade Gelände-Ausbildung hatten, kam ein Vorgesetzter angefahren und sagte, daß wir sofort alle Sachen zusammen packen müßten, weil wir den Marschbefehl für den Odereinsatz bekommen hätten. Noch in der kommenden Nacht rückten wir aus, denn die Lage an der Oder hatte sich dramatisch zugespitzt. So ging des dann Dienstagmorgen, 29.07, um 3.00 Uhr früh in Richtung Osten. Am Mittag waren wir kurz hinter Berlin und erhielten Quartier in einer leerstehenden Kaserne. Dort blieben wir bis Donnerstagmorgen, dann wurde uns unser Einsatzort zugeteilt. Unsere Unterbringung erfolgte in einer Grundschule in Seelow. In den Klassenzimmern waren Doppelstockbetten für uns aufgestellt worden.

Unsere Aufgabe war es, Sandsäcke für die Deiche zu füllen. Hierzu wurden wir mit dem Bus zu einer ca. 10 Minuten vom Quartier entfernten Lagerhalle gefahren. Diese Halle war voller Sand und Jutesäcke. Die Schicht betrug 8 Stunden und wir hatten die Säcke mit je 4 Schaufeln Sand, dies entsprach etwa einem Gewicht von 20 kg, zu füllen und die Säcke ordentlich zu stapeln.

Wenn dann die LKW der Bundeswehr oder des THW kamen, mußten sie schnellstens beladen werden. Dazu bildeten wir eine Kette und die Säcke wurde von Hand zu Hand zu den LKW weitergereicht, bis diese voll beladen waren. Die größten LKW faßten bis zu 500 Sandsäcke. Während dieser harten Arbeit wurden die zivilen Hilfskräfte von der Bevölkerung mit Kaffee und Kuchen versorgt und für uns war auch immer etwas übrig.

Am Freitag, dem 08.08.97, wir hatten eigentlich unsere Schicht von 15.00 bis 23.00 Uhr schon hinter uns, kam unsere Ablösung nicht. Gegen 0.00 Uhr erfuhren wir, daß unsere Kameraden zum Deich mußten, um ihn zu sichern. Die Lage am Deichabschnitt in der Nähe von Küstrin-Kietz war bedrohlich geworden. Nun kamen pausenlos LKW, die schnellstens beladen werden mußten. Um 3.00 Uhr nachts, nach 12 Stunden harter Arbeit, erhielten wir den Befehl, auch zum Deich auszurücken.

Am Deich angekommen, wurden die Sandsäcke hinter dem Deich aufgestapelt, um das durchsickernde Wasser mittels Gegendruck aufzustauen, damit der Deich nicht unterspült würde und brach. Um 9.00 Uhr morgens hatten wir endlich die Gefahr gebannt und bekamen ein Frühstück zum Oderdeich gebracht. Die meisten von uns schliefen beim Essen fast ein, da wir schon 18 Stunden im Einsatz waren. Am nächsten Tag mußten wir noch einmal zum Deich ausrücken, allerdings hatte sich die Lage schon etwas entspannt und das Wasser ging ganz langsam zurück.

Am Sonntag war Impfen angesagt, und zwar gegen Hepatitis A + B und gegen Typhus. Nach dem Impfen durften wir uns 24 Stunden nicht mehr anstrengen. Daraufhin beschloß unser Vorgesetzter, zum Baggersee zu fahren, um uns etwas Entspannung zu gönnen. Wir hatten danach keine anstrengenden Einsätze mehr und konnten 2 Tage später nach Hause fahren.
 

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