46325 Borken, 24.11.99
Hendryk-de-Wynen Kaserne
Dülmener Weg 215
Tel.: 02861 949 225
BW: 90 3611 225
Klaus Dorsch
Panzerflugabwehrkanonenbataillon 7
S2 Offizier
Ludgerusschule Heiden
Klasse 9a
zu Händen Edith Wienen
Velener Straße 29
46359 Heiden
Sehr geehrte Frau Wienen,
ich bin Oberleutnant Klaus Dorsch, der Jugendoffizier des Panzerflugabwehrkanonenbataillon 7 in Borken und schreibe Ihnen als einer der Soldaten, die beim Einsatz an der Oder teilgenommen hat. Leider kann ich Ihnen erst jetzt über die Erlebnisse an der Oder berichten, da ich in den letzten Wochen bei einem Lehrgang in Koblenz war.
Nach meinem Urlaub im Juli 1997 meldete ich mich an einem Montag zum Dienst. Das genaue Datum kann ich nicht mehr nennen. Da ich bereits aus den Medien über die Flutkatastrophe gehört hatte, vermutete ich, daß auch Soldaten aus Borken eingesetzt werden würden. Dies bestätigte sich dann auch nach einem Gespräch mit unserem Bataillonskommandeur OTL Probst.
Unser Bataillonskommandeur beauftragte mich mit rund 100 Soldaten aus den verschiedensten Dienstgradgruppen (Wehrpflichtige, Zeit-, und Berufssoldaten) am nächsten Abend nach Frankfurt/Oder zu verlegen. Da uns nicht viel Zeit blieb, versuchten wir so viel Material wie möglich auf unsere Fahrzeuge zu verladen (darunter befanden sich u.a. leere Sandsäcke, Spaten, Schaufel, Seile, eine Feldküche und nützliche Dinge wie Toilettenpapier,). Da wir nicht wußten, wo und wie wir schlafen konnten, mußten wir zusätzlich unsere militärische Ausrüstung mitfuhren.
Am Dienstagabend fuhren wir also mit ca. 20 Fahrzeugen und einem Bus Richtung Frankfurt/Oder. Gegen Mittwoch Mittag trafen wir dort ein und uns wurde ein Quartier in den Messehallen zugewiesen. Da die Soldaten die Nacht durchgefahren waren, konnten sie sich jetzt ausruhen und unsere Halle mit 400 weiteren Soldaten beziehen.
Ich bin nach dem Eintreffen sofort nach REITWEIN im Oderbruch gefahren um mir ein Bild von unserem Einsatzort zu machen. An unserem Abschnitt arbeiteten bereits ca. 200 Soldaten, die durch das THW unterstützt wurden.
Am Donnerstag um 08.00 Uhr ging es dann endlich los. Unsere Soldaten konnten es kaum erwarten an den Deich zu kommen und zu helfen. Am Deich angekommen, wurden wir alle vom Deichgrafen (Verantwortlicher Deichabschnittsleiter) eingewiesen, wie wir den Deich sichern mußten und wie wir uns zu verhalten haben, wenn der Deich bricht.
Die gefüllten Sandsäcke wurden uns von LKW' s oder direkt mit dem Hubschrauber gebracht. So arbeiteten wir fast 24 Stunden bis wir dann endlich abgelöst wurden.
Nach einer Ruhepause von 24 Stunden ging es dann wieder an den Deich. Dieser Rhythmus hat sich als sinnvoll herausgestellt und deshalb wurde er auch beibehalten.
Nach 10 Tagen wurde unser Verband dann abgelöst und wir verlegten wieder zurück nach Borken. Ein beeindruckendes Bild hat die Bevölkerung des betroffenen Gebietes abgeliefert. Trotz ihres materiellen Verlustes ließen es sich viele Familien nicht nehmen, die Soldaten bei ihrer Arbeit zu unterstützen.
Dies geschah zum einen durch die direkte Hilfe am Deich oder an den Sandsackabfüllstationen und zum anderen durch Spenden die an den Deich geschickt wurden. Ich kann mich an eine Frau erinnern die mit ihren Kindern ankam und uns rund 10 frisch gebackene Kuchen und Kaffee schenkte. Ein anderes Mal kamen zwei Männer und übergaben uns mehrere Stangen Zigaretten. Die ständig von den Anwohnern gebrachten, frisch belegten Brote und Stullen konnten wir fast gar nicht alle essen. Wenn uns die Verpflegung, die in der Messehalle zubereitet und zu uns geliefert wurde, angekommen ist, hatte kaum einer Hunger . Da es zu diesem Zeitpunkt auch noch sehr heiß war, mußten wir sehr viel trinken. Ein Getränkegroßhändler ließ es sich nicht nehmen einen großen LKW voll mit Mineralwasser zu schicken.
Ein kleines Problem waren die sanitären Einrichtungen in und um die Messehallen. Da die Messehallen nicht für diesen Andrang von Soldaten eingerichtet waren und Duschcontainer nicht zur Verfügung standen, wurden alle Soldaten nach dem Einsatz am Deich in ganz Frankfurt/Oder in Sporthallen und Schwimmbädern verteilt, um zu duschen. Aber auch dieses Problem hat sich nach einigen Tagen gelöst und uns wurden Dusch-, und WC-Container zur Verfügung gestellt.
Was mich und alle anderen Soldaten am meisten beeindruckt hat, war die Freundlichkeit, die Hilfsbereitschaft und der Wille, der von allen gezeigt wurde, um anderen zu helfen.
Ich hoffe ich konnte Ihnen und Ihrer Klasse ein wenig helfen.
(C)Ludgerusschule Heiden