Dr. Diether Posser

Posser war eng mit Gustav Heinemann verbunden, in dessen Kanzlei er seit 1952 als Sozius tätig war.Dem Landtag von Nordrhein-Westfalen gehörte er ohne Unterbrechung 24 Jahre lang von 1966 - 1990 an. Von 1968 - 1988 war er Minister für Bundesangelegenheiten und Justiz bzw. Finanzminister. Ab 1980 war er außerdem stellvertretender Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.

"Erinnerungen an Gustav Heinemann" von Diether Posser Zitate aus der Reihe "Gesprächskreis Geschichte", Heft 24 (Friedrich-Ebert-Stiftung) (von Herrn Posser zur Verfügung gestellt) Die folgenden Auszüge haben einen besonderen Stellenwert, wenn man die aktuellen Diskussionen über Spendenaffären oder die Selbstbedienungsmentalität einiger Politiker bedenkt.

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"Heinemann war ein außerordentlich sparsamer und persönlich bescheidener Mensch. Hinzu kam ein ungewöhnlich korrekter Umgang mit dem Geld der Steuerzahler. Dazu drei Erlebnisse:

Nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten am 5. März 1969 in Berlin dauerte es fast vier Monate bis zur Amtseinführung am 1. Juli 1969. Während dieser Zeit wollte Heinemann gern in Bonn sein, um u.a. enge zukünftige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (wie Persönlichen Referenten, Pressesprecher, Sekretärin) nach Vorstellungsgesprächen auszuwählen. Ich war damals Minister für Bundesangelegenheiten des Landes Nordrhein-Westfalen und Hausherr unserer Landesvertretung, in der es außer der Ministerwohnung noch einige Räume gab, in denen Mitglieder der Landesregierung oder Staatssekretäre, insbesondere bei mehrtägigen Sitzungen der Bundesratsausschüsse, unentgeltlich übernachten konnten.

Ich bot Heinemann für die wenigen Übergangsmonate für ihn und seine Frau ein Appartement in der Landesvertretung an, das aus einem Schlafzimmer, einem kleinen Arbeitsraum und einem Badezimmer bestand. Er akzeptierte lächelnd das Angebot, als designierter Bundespräsident Gast des Landes Nordrhein-Westfalen zu sein. Am nächsten Tag erschienen zu meiner Verblüffung Beamte des Hochbauamtes, die von Heinemann gebeten worden waren, den Mietwert seines Appartements festzusetzen. Die Miete für die vier Monate zahlte er an die Landeshauptkasse. Zusätzlich errichtete er für die in der Landesvertretung angebotenen Mahlzeiten ein Verpflegungsgeld, das ich wegen seiner unangemessenen Höhe nur unter Protest in die Haushaltskasse des Ministeriums einnehmen ließ.

Heinemann spielte gern Skat. Nicht immer waren ausreichend Mitspieler zur Stelle, zu denen übrigens vor allem der CDU-Bundestagsabgeordnete Paul Mikat gehörte. An einem Freitagnachmittag kurz vor Dienstschluß rief Heinemann mich in der Landesvertretung an und fragte, ob ich zu der abendlichen Skatrunde einen dritten Mann mitbringen könne. Ich konnte gerade noch meinen damaligen Persönlichen Referenten erreichen, der zum Wochenende zu seiner Mutter nach Dortmund fahren wollte. Er war sofort zum Mitspielen in der Villa Hammerschmidt bereit.

Im Laufe des Abends holte Heinemann mehrfach Wein und notierte Anzahl und Etikett der Flaschen, die wir tranken. Den Preis zahlte er an die Kasse des Bundespräsidialamtes, weil unser Zusammensein nicht dienstlich, sondern privat veranlaßt war. Ich kannte diese Heinemannsche Angewohnheit von früheren Besuchen bei ihm, aber mein Persönlicher Referent war verblüfft und tief beeindruckt. Inzwischen Gruppenleiter im nordrhein-westfalischen Finanzministerium, erzählte er bei einem Treffen von Angehörigen des Ministeriums im vergangenen Jahr dieses Erlebnis, das über 25 Jahre zurücklag und nach seinen Worten für ihn unvergeßlich bleibe.

Man braucht nur an die vor einiger Zeit aufgedeckte Selbstbedienungsmentalität einiger Kommissare der Europäischen Union zu denken, um Heinemanns Verhalten richtig würdigen zu können.

Nur wenigen war bekannt, daß Heinemann eine Pension, die er für seine gut zwanzigjährige Tätigkeit in leitender Position bei den Rheinischen Stahlwerken bekam, vollständig an das Bundespräsidialamt zur Verwendung für soziale Zwecke überweisen ließ. Aus diesem Fonds wurden Zahlungen in solchen Fällen geleistet, die in dem amtlichen, d.h. im Bundeshaushalt ausgewiesenen Sozialfonds nicht unterzubringen waren, aber doch einer Hilfe bedürftig erschienen. Aus diesen aus Heinemanns Pension herrührenden Mitteln wurden u.a. Umzugskosten in Höhe von DM 3.000, an den bei einem Attentat in Berlin schwer verletzten ehemaligen Studentenführer Rudi Dutschke gezahlt, der seinen Wohnsitz aus Deutschland nach Dänemark verlegte und dort an den Spätfolgen des Attentats verstarb.

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Übrigens hat Heinemann nicht nur während seiner fünf Jahre als Bundespräsident diese Rheinstahl-Pension an das Bundespräsidialamt überweisen lassen, sondern auch nach seinem Ausscheiden bis zu seinem Tode, insgesamt immerhin 300.000 DM.
 

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