Jürgen Vietor, ehemaliger Copilot der "Landshut"

25451 Quickborn
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Jürgen Vietor

Ludgerusschule Heiden
Klasse 9a
z. Hd. Edith Wienen

Velener Str. 29
46359 Heiden

Hallo, liebe Klasse 9a,

erst einmal muß ich mich entschuldigen, dass die Beantwortung des Briefes sich so lange hingezogen hat. Aber ich war Mitte Dezember verreist, dann kamen die Weihnachtsfeiertage und, und, und .... Außerdem, das muß ich zugeben, tue ich mich noch immer schwer, wenn es um das Thema "Entführung" geht, trotz der vielen Jahre, die inzwischen vergangen sind.

Nun, ich gehe davon aus, dass Ihr die Fakten der Entführung aus Presse und TV studiert habt. Aber selbst die dramatischte Schilderung kann nicht wiedergeben wie furchtbar die Qualen, psychischer und physischer Natur waren, denen über neunzig Menschen auf engstem Raum und angesichts extrem fanatischer und zu allem entschlossener Terroristen fünf Tage lang ausgesetzt waren.

Ich möchte hier nicht werten, welches die "schlimmste" Situation war - ein jeder der an Bord befindlichen Passagiere und Besatzungsmitglieder wird hier seine eigene Sichtweise haben - aber sicherlich waren es zwei besondere Ereignisse, die herausragten:
• die Ermordung von Flugkapitän Schumann und
• die Fesselung aller Passagiere und Besatzungsmitglieder und Übergießen mit Alkohol
("damit wir besser brennen" !).

Für mich persönlich waren noch weitere Begebenheiten sehr belastend:

• ich sollte zwei Mal erschossen werden, das erste Mal in Bahrein, wo zur Durchsetzung der Forderung von dem Anführer "Mahmud", die das Flugzeug umstellenden Soldaten abgezogen werden sollten;
das zweite Mal in Dubai, wo "Mahmud" Anstoß an meiner Junghans-Armbanduhr nahm, die als Firmenlogo ein "J" in einem stilisierten Zahnrad hatte - was zugegebenermaßen einem Davidstern sehr ähnlich sah - und es sich somit um eine jüdische Uhr handeln müsse oder ich jüdischen Glaubens sei.

• eine andere schwere Prüfung war, als ich mich in Dubai nach Ausfall jeglicher Stromversorgung zum Anschließen eines fahrbaren Generators außerhalb des Flugzeugs befand und ich trotzdem wieder an Bord zurückgekehrt bin. Ebenso in Mogadischu, wo es mir "Mahmud" freistellte, das Flugzeug zu verlassen (sozusagen für meine "Verdienste").

• und ein wahrer Horrorflug war die Strecke Aden-Mogadischu, mit einem erschossenen Kapitän an Bord, mit einem Flugzeug, dessen technischen Zustand nach der Notlandung abseits der Piste in Aden nicht bekannt war, über einem Gebiet, in dem am Boden ein kriegerischer Konflikt ausgetragen wurde und man jederzeit mit Raketenbeschuß (=Abschuß) rechnen mußte, wo tropische Gewitter die Nacht zum Tage machten und die Navigation sehr schwierig war - und ich mutterseelenallein in meinem Cockpit....
Als Copilot "half'" mir Mahmud ....

So, dies waren ein paar Gedanken, die mir einfielen und ich hoffe, damit ein wenig zu eurem Wettbewerb beigetragen zu haben. Ich würde mich freuen, ein Exemplar eurer Arbeit zu erhalten.

Viel Glück und mit besten Grüßen


 

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