"Die Erinnerung verblasst"

Quickborner Co-Pilot der "Landshut" zur Entlassung von Souhaila Andrawes


Nach dem Geisel-Terror wieder in Köln gelandet:
Jürgen Vietor stützt die verletzte Stewardess
Gabriele Dillmann. Foto: pt

Er war Co-Pilot der "Landshut" auf dem Horrorflug nach Mogadischu: der Quickborner Jürgen Vietor. In dieser Woche wurde er wegen der Entlassung von Terroristin Souhaila Andrawes wieder mit der Vergangenheit konfrontiert.

Von Frank Schulz

Quickborn. 100 Stunden Todesangst durchlebten die Geiseln der 1977 nach Mogadischu entführten Lufthansa- Maschine "Landshut". Temperaturen bis zu 60 Grad Celsius und vier zu allem entschlossene Gangster zehrten unbeschreiblich an den Nerven von Besatzung und Passagieren. Einer von ihnen war der Quickborner Jürgen Vietor. Nachdem die Palästinenser den Piloten der Maschine mit einem gezielten Kopfschuss exekutiert hatten, lag die gesamte Verantwortung auf dem damals 35 Jahre alten Co-Piloten Vietor.

Die Dicke, wie Souhaila Andrawes von den Gekidnappten genannt wurde, war die Schlimmste, erinnert sich der Quickborner. Die Palästinenserin war bei der Kaperung besonders brutal zu Werke gegangen, schlug die Geiseln, fesselte sie extrem stramm und übergoss sie schließlich mit Alkohol - "damit sie besser brennen". Doch Vietor hatte besondere Qalen zu erleiden. Gleich zwei Mal hielt ihm einer der Gangster die Waffe an den Kopf und begann die Minuten des Ultimatums zurückzuzählen. Doch dann stürmte das Elite-Kommando des Bundesgrenzschutzes GSG-9 die Lufthansa-Maschine, die Geiseln wurden gerettet. Alle Terroristen starben im Kugelhagel, nur "die Dicke" nicht. Ihr wurde 1996 vor dem Hamburger Oberlandesgerichte der Prozess gemacht. Kurz zuvor hatte Vietor noch dem Tageblatt seine Gefühle ihr gegenüber geschildert: "Es ist schon so etwas wie Hass." Der Prozess sollte dann die Wende im Leben des Quickborners bringen. Er glaubte die psychische Belastung der Entführung aus eigener Kraft bewältigen zu können. Therapierte sich durch seine Arbeit. "Ich hatte alles nur verdrängt, durch die Verhandlung habe ich das Ganze aufgearbeitet."

Doch was sagt er zu der vorzeitigen Entlassung seiner ehemaligen Peinigerin? Er wisse nicht einmal, ob die nötigen sechs Jahre Haft für die Begnadigung schon erreicht seien. Und auch von Hass keine Spur mehr: "Frau Andrawes leidet doch jetzt am meisten. Sie wurde damals angeschossen, humpelt noch heute. Sie wird bei jedem Schritt daran erinnert, was sie 1977 getan hat", so die überraschende Antwort des ehemaligen Co-Piloten, der seit anderthalb Jahren nicht mehr für die Lufthansa fliegt. Bei Prozessende habe er sich über die Verurteilung noch gefreut. Die Begnadigung rufe in dem heute 57-jährigen Vorruheständler kaum noch eine Gefühlsregung hervor. Vietor: "Die Erinnerung verblasst immer mehr.


100 Stunden Todesangst: Palästinenser hatten 1977 die Lufthansa-Maschine "Landshut" nach Mogadischu entführt. Mit dabei war der heute 57-jährige Co-Pilot Jürgen Vietor aus Quickborn (kleines Bild).   Fotos: Lorenz/pt
 

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