Dieser Auszug schildert die eigentliche Flucht, den Flug mit dem selbstgebauten Ballon (S.38, 39).

"... alles ruhig, kein Tier, kein Mensch ist zu sehen. »Geprobt haben wir oft genug, der Wind kommt aus der richtigen Richtung. Woran sollen wir jetzt noch scheitern?« fragt Günter. »An uns«, antworte ich. Wir entladen den Anhänger und breiten als erstes die Ballonhülle aus. Günter und Frank verankern die Gondel, dann schlagen wir Rohre in den Waldboden, die den Ballon zunächst am Boden halten sollen. Das aus einem Motorradmotor gebaute Gebläse wird vor der Ballonöffnung aufgestellt und schaufelt unter infernalischem Lärm Luft in die schlaffe Hülle. Allmählich füllt sie sich. Wir montieren Flammenwerfer und Brenner. Sieben Propangasflaschen werden auf den Kopf gestellt, damit das Gas flüssig aus den Düsen austritt. Das Ventil wird langsam aufgedreht, das Gas mit einem Streichholz entzündet. Mit enormer Kraft schießt eine zwölf Meter lange Flamme ins Balloninnere.

Plötzlich gibt es einen Knall. Die Flamme schlägt zurück, und im Nu ist die linke Hälfte meines Bartes weggesengt. Jetzt bloß nicht aufgeben. Ich öffne das Ventil weiter. Der Ballon bäumt sich auf, die Stoffhülle erhebt sich majestätisch über die Wiese. An den Seilen ist eine gewaltige Zugkraft zu spüren. Wir steigen in die Gondel und zünden den Brenner. Frank und Günter sollen je zwei der Seile kappen, die das Gefährt mit dem Boden verankern. Doch Günter schneidet nur ein Seil durch. Der Auftrieb ist so stark, daß das letzte Verankerungsrohr aus der Erde gerissen wird. Es fliegt wie von einem Katapult geschleudert Frank und Fitscher gegen die Köpfe. Doris drückt Taschentücher auf die Platzwunden. Unser Verbandskasten ist im Wartburg zurückgeblieben. Zum Glück haben sich die beiden Kleinen von WetzeIs nicht erschrocken.

Wir steigen mit drei Metern pro Sekunde schnell in den klaren Nachthimmel und drosseln den Brenner bald. Plötzlich fängt ein Stück Stoff Feuer, weil durch die Schräglage beim Start der Brenner zu nah an die Hülle gekommen ist. Günter ist mit dem Feuerlöscher zur Stelle und erstickt den kleinen Brand sofort. Ohne Feuerlöscher hätte die Hülle in kürzester Zeit in Flammen gestanden, und wir wären unweigerlich abgestürzt.

Der Ballon steigt langsamer, wir öffnen das Brennerventil wieder. Nach wenigen Minuten sind wir in 1800 Meter Höhe. Der Wind erfaßt die Hülle mit voller Kraft und dreht den Ballon einmal um sich selbst. »Scheinwerfer von unten«, meldet Petra. Wir drehen den Brenner voll auf und steigen auf über 2500 Meter. Das Licht bleibt zurück. Die größte Gefahr würde ein Kampfflugzeug bedeuten. Aber weit und breit ist am Himmel Ruhe. Nur der Wind rauscht in der mächtigen Hülle über unseren Köpfen.

Der Ballon beginnt, langsam zu sinken. Wir versuchen nochmals aufzuheizen, doch die Gasflaschen sind leer. Wir verlieren weiter an Höhe. Der Brenner geht aus. Nur für Augenblicke gelingt es Günter, ihn noch einmal zu zünden. Es wird dunkel in der Gondel. Die Erde kommt rasend schnell näher. Ein Wald ist zu erkennen, Felder, einzelne Häuser, dann einzelne Bäume. Plötzlich prallen wir hart auf. Die Gondel fegt eine dünne Akazie um. Wir sind gelandet. Die Ballonhülle legt sich langsam, wie ein großes erschöpftes Tier, auf die Seite. Wir klettern alle zugleich aus der Gondel. Haben wir es diesmal geschafft? Sind wir im Westen? Oder ... ?
 

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