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1978 - ein Deutscher im All
von Dr. Sigmund Jähn
Am 26. August 1978 begann vom kasachischen Baikonur aus mein Weltraumflug mit Waleri Bykowski, meinem russischen Besatzungskommandeur. Wir flogen die Raumstation Salut 6 an, arbeiteten gemeinsam mehrere Tage mit den beiden Kosmonauten der Stammbesatzung und kehrten am 3. September zur Erde zurück.
Natürlich ist die Entscheidung über die Beteiligung eines Kosmonauten der DDR am Raumflugprogramm der Sowjetunion nicht erst 1978 getroffen worden. Das war bereits gut zwei Jahre früher. Die Namen der in das sowjetische Ausbildungszentrum kommandierten Kandidaten Köllner und Jähn, wurden geheimgehalten. Warum blieb eigentlich unklar. Damals wie heute ist die bemannte Raumfahrt eine vielschichtige Angelegenheit. Ich will damit folgendes sagen: Zunächst einmal muss man technisch in der Lage sein, ein bestimmtes Projekt realisieren zu können. Weiter sollte ein anspruchsvolles wissenschaftliches Forschungsprogramm vorliegen und die Politik muss interessiert sein, sonst reicht das Geld nicht.
Aus dieser Sicht waren um die Mitte der 70er alle Bedingungen günstig. Was die technische Seite betraf, so hatte die Sowjetunion frühzeitig auf die Schaffung langlebiger Orbitalstationen gesetzt. Mit SALUT 6 war nun eine Station im Bau, an die erstmalig z w e i Raumschiffe mit oder ohne Besatzung andocken konnten. Das war eine gute Voraussetzung, um Kosmonauten der INTERKOSMOS-Länder zu bemannten Flügen heranziehen zu können. Damit war auch der Bogen zu einer Bündelung der wissenschaftlichen Möglichkeiten schnell zu spannen. Die DDR verfügte inzwischen über nicht unbedeutende Kapazitäten in der Kosmosforschung und die Sowjetunion war an deren Einbindung in ihr bemanntes Weltraumprogramm interessiert.
In der großen Politik gab es die Wende zu einer Eskalation des kalten Krieges. Nach 1975 hatten russische und amerikanische Raumfahrer im gemeinsamen Projekt SOJUS-APOLLO auf der Erdumlaufbahn Zusammenarbeit und menschlichen Fortschritt demonstriert. Das war vorüber und wich später eher Sternenkriegsszenarien.
Gemeinsame Raumflüge von sowjetischen und Kosmonauten der INTERKOSMOS-Länder passten daher gut in die damalige politische Landschaft. Zumal im Westen bereits die Einbeziehung europäischer Raumfahrer in das künftige SPACE-SHUTTLE-Programm verkündet worden war. Der Bau dieses Systems verzögerte sich allerdings um Jahre und es war klar, dass die ersten Kosmonauten aus Osteuropa, auch aus der DDR, früher im Orbit sein konnten als die der anderen Seite.
Nachdem wir uns mit Flugdynamik, Konstruktion von Raumschiff und Orbitalstation, Kopplungsmanövern und Landeprofilen theoretisch und praktisch vertraut gemacht hatten, stürzten wir uns auch mit Interesse und Begeisterung in das attraktive wissenschaftliche Programm, an dem in der DDR an vielen Forschungseinrichtungen angestrengt gearbeitet wurde und das - relativ kurzfristig - auf die Beine gestellt worden war.
Oft bin ich seither gefragt worden wie das denn so war im Weltraum. Mit ein paar Sätzen kann man einen Raumflug eigentlich nicht beschreiben. Aber dann hebe ich doch einen Gedanken hervor, der mich seither bewegt:
Da ist einerseits die tatsächlich wohl einmalige, unvergeßliche Schönheit der Erde, die man an einem Tag 16 mal umrundet. Man arbeitet in einer Besatzung zusammen. Es ist dabei gleichgültig wo man geboren ist und welche Sprache einem die Mutter zuerst beigebracht hat. Schaut man aber aus dem Bordfenster auf die Erde, weiß man, dass es da unten Grenzen gibt und sich die Leute irgendwo gegenseitig die Köpfe einschlagen.
Das ist doch ein eigenartiger Widerspruch: Der Mensch ist technisch weit fortgeschritten. Er kann Raumstationen bauen, sie im Weltraum zusammenkoppeln und denkt an die Landung auf dem Mars, aber seine moralische Entwicklung scheint seit der Steinzeit zu stagnieren.
Ich denke, die Raumfahrt hat auch eine völkerverbindende Funktion und bin überzeugt, dass die im Aufbau befindliche Internationale Raumstation und dass gemeinsame Flüge von Raumfahrern vieler Länder dazu beitragen werden, die Menschheit friedlich zusammenzuführen.
Wenn ich zurückdenke an mein Erlebnis Weltraum, dann möchte ich mich auch heute noch bei all den Menschen bedanken, die den Flug ermöglichten, die damals um uns bangten und uns nach der Rückkehr in der Heimat mit Begeisterung empfingen.
(C)Ludgerusschule Heiden