80: Johannes Paul II. 81: Kernkraftgegner 82: Regierungswechsel 83: Ulf Merbold 84: Versöhnung 85: Joschka Fischer 86: Tschernobyl 87: Erich Honecker 88: Geiseldrama 89: Mauerfall

Berlin, 19. November 1999

Richard v. Weizsäcker

Frau
Edith Wienen
Stellv. Klassensprecherin Kl. 9a
Ludgerusschule Heiden
Velener Straße 29
 
46359 Heiden
 

Sehr geehrte Edith Wienen,

für Ihren Brief vom 11. November danke ich Ihnen herzlich. Zu Ihren beiden Fragen möchte ich Ihnen folgendes antworten:

...

2.
Die Begegnung von Mitterand und Kohl in Verdun war die konsequente und eindrucksvolle Fortsetzung dessen, was vor ihnen schon Robert Schumann und Charles DeGaulle auf französischer Seite und Adenauer auf deutscher Seite begründet und in Gang gesetzt hatten. Mit den Franzosen zu einer Verständigung und Aussöhnung zu kommen, das war notwendig, aber auch viel leichter als dieselbe Aufgabe gegenüber Polen. Daher ist die Verständigungspolitik zwischen Frankreich und Deutschland von den Regierungen, also gewissermaßen von oben in Gang gesetzt worden und hatte rasch die Zustimmung der Bevölkerung gefunden. Mit den Polen war es deshalb schon weit schwieriger, weil es dort um die Anerkennung der neuen polnischen Westgrenze, also der Oder-Neiße-Grenze ging. Mit dieser Anerkennung war zugleich die endgültige Besiegelung des großen Verlustes weiterer urdeutscher Gebiete verbunden. Deshalb hatten sich an diese schwierige Aufgabe die politischen Parteien viele Jahre lang nicht herangemacht. Damit bin ich wieder bei Punkt 1, bei der großen Leistung von Willy Brandt.

Die Begegnung von Mitterand und Kohl auf den Schlachtfeldern von Verdun hatte darüber hinaus ihre Bedeutung deshalb, weil sie die beiden Weltkriege miteinander umspannte. In Wirklichkeit hatte ja das schwere Jahrhundert seinen Anfang beim Ausbruch des 1. Weltkrieges genommen, dessen schrecklichste Blutopfer mit dem Namen Verdun verbunden sind.

Mit freundlichen Grüßen