Volker Rühe

 

11011 Berlin, 22.11.1999
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Volker Rühe
Mitglied des Deutschen Bundestages
Stellv. Vorsitzender
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

 

Frau
Edith Wienen
Stellv. Klassensprecherin Kl. 9a
Velener Str. 29
 
46359 Heiden

Liebe Edith Wienen,

für Ihr Schreiben vom 22. Oktober dieses Jahres danke ich Ihnen. Gern bin ich bereit, fur Ihr Projekt zu schildern, wie ich den Besuch von SED-Generalsekretär Erich Honecker im Jahre 1987 in Bonn eingeschätzt habe:

In diesem Besuch sah ich die Chance, die Möglichkeiten zu verbessern, dass sich noch mehr Menschen aus dem geteilten Deutschland begegnen können, vor allem auch die jüngere Generation, und dass es zu einem freieren Austausch von Büchern, Zeitungen, Filmen, Wissenschaftlern und Künstlern kommen könnte, ohne dass wir unsere deutschlandpolitischen Grundsatzpositionen und Ziele auch nur in irgendeiner Weise aufgeben. Bei der Verfolgung dieses Ziels haben wir im Interesse der Menschen in beiden Teilen Deutschlands in Kauf genommen, dass damit auch eine gewisse Aufwertung von Status und Prestige der DDR-Führung verbunden war.

Dies war für mich auch deshalb vertretbar, als über diese eben genannten Erwartungen hinaus während des Besuchs zwei wichtige Ereignisse stattfanden, deren politische Bedeutung weit über Symbolik hinausging - zumal sie auch von den DDR-Medien im anderen Teil Deutschlands verbreitet wurden: Das ist zum einen die Tatsache, dass der gebürtige Saarländer Honecker seinen Geburtsort und seine Familie besuchte und damit etwas getan hat, was viele Landsleute aus der DDR auch gern und ohne jede Behinderung als Selbstverständlichkeit tun wollten. Zum anderen hat Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner bedeutenden Tischrede in der Bonner Redoute offen und vom Fernsehen in alle Öffentlichkeit übertragen an Herrn Honecker gewandt nachdrücklich unser Ziel der Wiedervereinigung unterstrichen und ein Ende von Schießbefehl, Mauer und Stacheldraht gefordert.

Ich möchte Ihnen gerne die für mich wichtigsten Aussagen aus dieser Rede des Bundeskanzlers zitieren:

"Für die Bundesregierung wiederhole ich: Die Präambel unseres Grundgesetzes steht nicht zur Disposition, weil sie unserer Überzeugung entspricht. Sie will das vereinte Europa, und sie fordert das gesamte deutsche Volk auf, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden. Das ist unser Ziel. Wir stehen zu diesem Verfassungsauftrag, und wir haben keinen Zweifel, dass dies dem Wunsch und Willen, ja der Sehnsucht der Menschen in Deutschland entspricht. ...Wir achten die bestehenden Grenzen, doch die Teilung wollen wir überwinden: auf dem Weg friedlicher Verständigung und in Freiheit."

"Auch die übrigen Völker Europas wünschen, dass sich die Deutschen in Ost und West vertragen und im gegenseitigen Umgang jene Humanität erkennen lassen, die dem Volk Lessings, Schillers und Goethes wohl ansteht. ...Wir wollen Frieden in Deutschland, und dazu gehört auch, dass an der Grenze Waffen auf Dauer zum Schweigen gebracht werden. Gerade Gewalt, die den Wehrlosen trifft, schädigt den Frieden. ...Die Menschen in Deutschland leiden unter der Trennung. Sie leiden an einer Mauer, die ihnen buchstäblich im Wege steht und die sie abstößt. Wenn wir abbauen, was Menschen trennt, tragen wir dem unüberhörbaren Verlangen der Deutschen Rechnung: Sie wollen zueinander kommen können, weil sie zusammengehören."

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Klasse bei dem Wettbewerb zum Thema ,,50 Jahre Bundesrepublik Deutschland" viel Erfolg und grüße Sie herzlich


 

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