Jörn Klamroth, Fernsehprogrammdirektor des WDR

Fernsehprogrammdirektor

Ludgerusschule Heiden
z. Hd. Edith Wienen
stellv. Klassensprecherin Kl. 9a
Velener Str. 29
 
46359 Heiden

Datum 27.10.1999

 
 

Liebe Edith Wienen,

liebe Schülerinnen und Schüler der Klasse 9 a,

vielen Dank für den an den Intendanten des WDR gerichteten Brief vom 10.10.1999, der mir von Herrn Pleitgen mit der Bitte zugeleitet wurde, Euch zu antworten.

Natürlich helfen wir Euch gern bei Eurem Geschichtsprojekt. Mit dem "Geiseldrama von Gladbeck" habt Ihr ein Thema gewählt, das für die Entwicklung der Medien in der Bundesrepublik ein wichtiger Einschnitt ist. Niemals zuvor - und seither zum Glück niemals wieder - haben sich Journalisten derart in den Ablauf eines Verbrechens eingeschaltet und dadurch die Arbeit der Polizei erschwert.

Die Nachrichtenagentur AFP hat im Jahr 1998, zehn Jahre nach dem Ereignis, beispielhaft dokumentiert, was sich damals abgespielt hat und welche Rolle Reporter verschiedener Medien im Verlauf des Geiseldramas gespielt haben. Diese beiden Agenturberichte füge ich in der Anlage bei.

Für die WDR-Reporter, die damals berichtet haben, war die Situation nicht einfach. Radio und Fernsehen sind schnelle Medien. Oft wird über Telefon oder Übertragungswagen live berichtet, und Videobilder werden manchmal schon Minuten nach der Aufnahme gesendet. Da bleibt wenig Zeit nachzudenken. Für uns war damals selbstverständlich, dass wir weder Geiselnehmer im Rennfahrerstil verfolgen noch uns zu ihnen und den Opfern ins Fahrzeug setzen und ihnen den Weg zeigen.

Eine Grenze, das müssen wir selbstkritisch gestehen, haben wir damals aber wohl überschritten. WDR-Reporter haben in der Kölner Innenstadt mitten in der Fußgängerzone durch das Autofenster hindurch Interviews geführt, die dann auch gesendet worden sind. Absicht der Reporter damals war zu zeigen, wie brutal, wie rücksichtslos Dieter Degowski und HansJürgen Rösner vorgegangen sind. Dass man damit in den Ablauf einer Straftat eingreift, war den Kollegen in dem Augenblick nicht in vollem Umfang bewusst.

Für uns ist aber -nicht zuletzt nach Gladbeck - klar: Journalisten sollen beobachten, zusehen, zuhören und dann berichten. Sie dürfen nicht eingreifen, nicht selbst zum Akteur werden und damit das Geschehen beeinflussen. Es ist wichtig, die Öffentlichkeit zu informieren, aber es ist wichtiger, alles zu unterlassen, was die Opfer oder auch Unbeteiligte in zusätzliche Gefahr bringen könnte.

Für Euer Projekt und die Beteiligung am Wettbewerb wünsche ich Euch viel Erfolg.


 

Anfang der Seite