Das Geiseldrama von Gladbeck - der Ablauf

Zusammenfassung der Ereignisse in ihrer zeitlichen Abfolge durch die Nachrichtenagentur AFP - vom WDR zur Verfügung gestellt.

 

Meldung:  0001/0002    AFP 12.08.1998    13:50    D/Gladbeck/DOK

Dramatische Irrfahrt quer durch die Republik

-Die 54 Stunden der Geiselnahme von Gladbeck -

Bonn, 12. August (AFP) - Am 16. August 1988 begann in Gladbeck das Geiseldrama, das Deutschland drei Tage lang in Atem hielt. Die beiden Geiselnehmer töteten auf ihrer Flucht drei Menschen. Das Verhalten der Medien, die teilweise die beiden Bankräuber unterstützten, löste eine Debatte über die Grenzen der Berichterstattung aus.

DIENSTAG, 16. AUGUST 1988, kurz vor 8.00 Uhr: Die Bankräuber Hans-Jürgen Rösner (31) und Dieter Degowski (32) betreten die Filiale der Deutschen Bank in Gladbeck-Rentford und nehmen die Kundenberaterin Andrea Blecker und den Kassierer Reinhold Alles als Geiseln. Die Gangster fordern 300.000 Mark Lösegeld, den Schlüssel zum Banktresor und einen Fluchtwagen.

21.47 Uhr: Die Gangster verlassen mit ihren beiden Geiseln und einer Beute von insgesamt 400.000 Mark den Tatort in einem weißen Audi. Wenig später bringen sie an einer Tankstelle einen hellblauen Mercedes 230 E in ihren Besitz. Was sie nicht wissen: Der neue Fluchtwagen, in dem eine Abhöranlage installiert ist, wurde ihnen von der Polizei untergeschoben.

MITTWOCH kurz nach Mitternacht: Rösner holt seine Freundin Marion Löblich (34) in der Wohnung seiner Schwester in Gladbeck ab. Die Gangster fahren kreuz und quer und landen schließlich in Bremen. Die Polizei greift aus Angst um die Geiseln nicht ein.

16.41 Uhr: Die Täter rauben bei einer Autovermietung einen blauen BMW und fahren nach Bremen-Huckelriede. Unterdessen verfolgen Journalisten das Fluchtauto. An der Bus-Haltestelle Huckelriede steigen Rösner und Degowski mit den Geiseln aus. Wenige Meter entfernt steht ein vollbesetzter Linienbus.

19.07 Uhr: Die Gangster kapern den Bus und lassen Journalisten in das Fahrzeug -sehr zum Ärger der Polizei, die wegen der zahlreichen Medienvertreter Gangster und Geiseln im Bus nicht mehr exakt auseinanderhalten kann. Die Täter fordern ein neues Fluchtfahrzeug mit einem Polizisten in Handschellen zum Austausch gegen alle Geiseln. Um 19.45 Uhr lassen Rösner und Degowski drei ältere Menschen und ein Kind frei; im Bus verbleiben 30 Geiseln.

21.50 Uhr: Der Linienbus setzt sich in Bewegung, gefolgt von zahlreichen Presseautos. 45 Minuten später erreicht er die Raststätte Grundbergsee an der A1. Um 22.46 Uhr schlägt die Polizei zu: Sie nimmt Marion Löblich fest; die Geiseln aus Gladbeck kommen frei. Doch der Zugriff erweist sich als fataler Fehlschlag: Aus Wut über die Festnahme Löblichs erschießt Degowski im Bus den 15jährigen Italiener Emanuele di Giorgi. Löblich wird daraufhin wieder freigelassen.

DONNERSTAG 02.28 Uhr: Die Täter fahren in die Niederlande. Sie steigen mit den Bremerinnen Ines Voitle und S.B. in einen von der Polizei bereitgestellten BMW um, mit dem sie über Gronau nach Deutschland zurückkehren. Über Wuppertal fahren Rösner, Degowski und Löblich mit den beiden jungen Frauen nach Köln.

10.53 Uhr: Der Fluchtwagen steht in der Kölner Fußgängerzone Breite Straße, umringt von Schaulustigen und Journalisten. Laut Polizei bieten Reporter den Gangstern Hilfe an. "Braucht Ihr etwas? Vielleicht Handschellen?" Rösner antwortet: "Ja, zwei Paar." Die Täter geben vor laufenden Kameras Interviews. Der damalige stellvertretende Chefredakteur des Kölner "Express" und heutige "Bild"-Chef Udo Röbel steigt zu Tätern und Geiseln in das Fluchtfahrzeug.

13.18 Uhr: Die Gangster fahren auf die A3 Richtung Frankfurt, als sich die Einsatzleitung zum Eingreifen entscheidet: "Zugriff wenn möglich noch auf der BAB, bei nächster günstiger Gelegenheit, wenn möglich bei Halt. Täter dürfen nicht wieder in einen City-Bereich einfahren." Röbel verläßt das Fahrzeug an der Raststätte Siegburg.

13.38 Uhr: Das Fluchtauto stoppt in der Nähe der Ausfahrt Bad Honnef. Um 13.39 Uhr blockieren Einsatzwagen der Spezialkommandos das Auto. Polizei und Gangster liefern sich eine wilde Schießerei. Ines Voitle kann sich unverletzt retten; die 18jährige S.B. wird von einer Kugel aus Rösners Revolver tödlich getroffen. Rösner, Degowski und Löblich werden festgenommen.

Am 22. März 1991 werden die Geiselnehmer vom Landgericht Essen verurteilt: Rösner erhält lebenslänglich unter anderem wegen versuchtem Mord, zusätzlich ordnet das Gericht Sicherungsverwahrung an. Auch Degowski bekommt eine lebenslängliche Haftstrafe. Löblich wird wegen erpresserischen Menschenraubs und Geiselnahme zu neun Jahren Gefängnis verurteilt.

rh/cha
 

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