Die Teufelsteine

Die Teufelsteine

... eine "Geschichte" von der Entstehung

 
Die Teufelsteine bei Heiden.

Bearbeitet in der von namhaften Geschichtsforschern geteilten Annahme, dass die Teufelsteine eine Steingrabkammer darstellen

von A. Wischerhoff

Quelle:

Dat Darp an de "Düwelsteene"
Druckvertrieb Johannes Bläser,
Borken i. Westf., um 1930

 

Die Teufelsteine bei Heiden

Man schrieb 10 nach Christus. Der Fürst des Nottelmannshofes in Heiden war mit seinen getreuen Sachsen ausgezogen, um unter der Führung Hermanns, des Cheruskers, im Teutoburger Walde dem Varus aufzulauern. Boten waren von Hof zu Hof geeilt und hatten jedem Heerbannpflichtigen die Absichten Hermanns kundgetan. In Eilmärschen war der Fürst des Nottelmannshofes mit seinen Freien herbeigeeilt, um auch aus dem einsamen "Bramgäu" die hilfreiche Hand zu bieten. Trotz Sturm und Regen und aufgeweichten Wegen, durch die man bis an die Knöchel hindurchwaten musste, hatten die wetterfesten und kampferprobten Mannen es sich nicht nehmen lassen, ihren bedrängten Stammesbrüdern an Ems und Lippe zu Hilfe zu eilen. Man wusste, Varus geht auf den Leim ein, dass an der Ems unter den germanischen Stämmen eine Empörung ausgebrochen sei. Er wird kommen. Er wird versuchen, die vermeintlichen Empörer zu züchtigen. Und er kam. Und er wurde gebührlich empfangen. Unter Hermanns Anführung wurde die berühmte Schlacht im Teutoburger Walde im Jahre 9 nach Christus geschlagen. Auch der Fürst des Nottelmannshofes war dabei mit seiner tapferen Mannschaft. Kain Römer war mehr zu sehen diesseits des Rheins. In rasender Flucht waren sie hinausgeeilt aus der ungastlichen Gegend. Eine Unmenge Gefangene waren gemacht, die größtenteils den Göttern zum Dank geopfert wurden. Allerorts drang der Rauch der Opfersteine zum Himmel. Auch der Fürst des Nottelmannshofes hatten seine Scharen glücklich wieder in die Heimat gebracht und wollte den Sieg gebührend feiern. Er hatte etwas Besonderes, etwas Großartiges geplant. Er wollte seinen Nachkommen ein Denkmal hinterlassen, das Jahrhunderte überdauern sollte, er hatte den kühnen Plan, für sich und seine Nachkommen eine Grabkammer zu bauen. Große Steinblöcke, Findlinge, lagen zu Dutzenden in der Gegend der "Uhle", des "Waterberges", des "Tannenbülten" und "Lunsberges". Eine große Anzahl gefangener Römer hatte er als Sklaven in seinen Dienst genommen, und sein Lebenstraum konnte in Erfüllung gehen, die Steingrabkammer konnte gebaut werden. Wochenlang schon war gearbeitet worden, die riesigen Steinblöcke herbeizuschaffen. In zwei längeren Längsreihen und zwei kürzeren Querreihen waren die Riesensteine aufgestellt, so dass sie vier Mauern bildeten. Zur Seite wurde eine Öffnung gelassen, die als Eingang dienen sollte. Nun sollte der Schlussstein gebildet werden, eine Riesensteinplatte als Deckstein oder Bedachung. Dazu hatte der Fürst den größten und schwersten Findling ausgesucht.

Endlich war der Tag der Vollendung herangerückt. Des Morgens früh schon waren die Römersklaven ausgezogen. Auf gleiche Weise, wie die vorigen Steine, sollte auch der Deckstein geholt werden. Doch der war schwerer als die anderen, und darum verging der ganze tag über dieser Arbeit. Unter den Stein wurden zwei rund behauene Bäume als Längshölzer geschoben, die auf zwei ebensolche Querhölzer, die beim Schieben als Rollenräder dienten, ruhten. Der alte germanische Wagen und wohl der erste Wagen, den Menschen benutzten, war fertig.

Über dieser Arbeit war mittlerweile der Tag vergangen. Eine milde Sommernacht senkte sich auf die Erde nieder. In traulichem Abenddunkel lagen Wald und Heide. Leise säuselte der Abendwind im Dickicht des germanischen Urwaldes. Kleine Sternchen hielten funkelnd die Wacht am Himmel. Eine Eidechse huschte durch das Heidekraut, verspätet ihr Nachtlager aufsuchend. Grabesstille herrschte um die Steinriesen der neu errichteten Steingrabkammer. Plötzlich kam Leben in die sonst so verlassene Gegend. Näher und näher drang das Stimmengewirr nahender Menschen. Gedämpfte Rufe ertönten und allmählich sah man die Sklaven herankommen, schweißtriefend ihre schwere Arbeit vollführend. Eben hatten sie das letzte schwere Werk vollbracht, den riesigen Granitblock als Deckstein über die Steinwände gelegt, da nahte der Fürst des Nottelmannshofes mit seiner Familie und den freien umher liegenden germanischen Bauern. Ein lautes Beifallsgemurmel ertönte, als sie das vollendete Werk erblickten. Es war ein Riesenwerk nach ihren primitiven Begriffen. Staunend umstanden sie das neu erbaute Steingrab. Da trat eine weiß gekleidete, hohe, weibliche Gestalt hervor, die Priesterin. Würdig ernst mit bedächtiger Miene erhob sie ihre Arme wie segnend gegen das Steingrab, und Segenswünsche murmelnd, weihte sie, unter Anrufung der Götter, die Grabkammer ein. Andächtig standen die Zuschauer zur Seite und murmelten die heidnischen Gebetssprüche nach. Dann trat der alte, greise Nottelmannsfürst hervor und hielt an die Umstehenden eine feierliche Ansprache. Er schilderte noch einmal in glänzenden Farben den Kampf mit den Römern und gab seiner Freude Ausdruck über den glücklichen Ausgang des Kampfes. Zum Schluss gab er ihnen kurz kund, dass der neu errichtete Bau eine Gruft sein solle für die Asche seiner Familie und zugleich zum Andenken an den glücklich errungenen Sieg der Nachwelt ein beredtes Zeugnis germanischen Mannesmutes und germanischer Tapferkeit übermitteln solle. Ein tosender Waffenschall erscholl als Beifall und laut dröhnte es durch die stille Nacht: "Heil, Heil, dem Fürsten des Nottelmannshofes!" Dann bewegte sich der Zug gen Osten zum Hofe des Fürsten, und bei kühlem Met und saftigem Wildschweinbraten wurde bis in den hellen Sommermorgen hinein gefeiert.

Das Werk war vollendet, die Grabkammer mit großer Mühe fertig gestellt und ihrer Bestimmung übergeben. Der greise Nottelmannsfürst war der erste, dessen Asche in einer irdenen Urne mit goldenen und silbernen Schmucksachen dort beigesetzt wurde. Nach ihm folgte noch mancher seiner tapferen Söhne und Enkel. Jahrhunderte lang wurde die alte Vätersitte geehrt, und jeder Fürst des Nottelmannshofes wurde auf dem etwa 200 Meter östlich des Steingrabes gelegenen Verbrennungshügel eingeäschert und seine Urne in der Grabkammer beigesetzt. Da allmählich rückte eine neue Zeit heran. der Christenglaube verbreitete sich immer mehr und die frommen Missionare wussten in milden Worten die rauen und wilden Sitten bei den Neubekehrten zu verdrängen. In geweihter Erde wurden von nun an die Leichname der Verstorbenen gebettet, und im Drange der Zeit vergaß man allmählich die Sitten und Gebräuche der Vorfahren. Auch die Grabkammer der Nottelmannsfürsten fiel der Vergessenheit anheim. Die Heide wucherte und überdeckte fast das ganze Grab, und allmählich fiel es dem Verfalle anheim. Der Volksmund aber behielt die Stätte uralten Menschendaseins im Auge und knüpfte an sie die Sage von den Teufelsteinen, in der auch der Frankenkaiser Karl der Große eine Rolle spielt. Keiner wusste mehr von der früheren Bedeutung und Bestimmung der "Teufelsteine", bis endlich im Jahre 1714 ein Vikar Nünning im "Sepulcretum Westphalico-Mimigardico-Gentil", Frankfurt am Main, durch eine Skizze der Teufelsteine und durch seine Spatenforschung das Werk der Nottelmannsfürsten der Vergessenheit entriss. Nach ihm nun haben viele Forscher die Stätte besucht, und heute gelten die Teufelsteine bei Heiden allgemein als ein altes germanisches Steingrab.
 

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