August Heselhaus
1. Die Landschaft
2. Die Vorzeit
Abb.1: Düwelsteene
Abb.2: Steindolch
Abb.3: Steinaxt
Abb.4: Baumsargbestattung
3. Die Frühzeit
Abb.5: Sächsisches Grab
Quelle:
Heidener Schriften - Band 1
Beiträge zur Geschichte der Gemeinde Heiden
herausgegeben von Ludger Kremer und Bert Sniers
Heimat- und Verkehrsverein Heiden/Westf. 1975
Weit öffnet sich das Münsterland gegenüber dem deutsch-holländischen Tiefland. Der Südwestzipfel, das Westmünsterland, ist ein in sich abgeschlossenes Gebiet, das in Sprache, Hausbau und Brauchtum seine Eigenart bewahrt hat. Ein Moor-, Heide- und Waldgürtel, der sich vom Amtsvenn bei Epe bis nach Haltern erstreckt, trennt es vom Innermünsterland, dem "Klei". Etwas von oben herab schaute man früher auf unseren "Sand": "Ät is dat Land, woa de Wält mät Baokweitenpannenkoken tonägelt is!"
In der Uhrzeit wuchs hier ein magerer Eichen-Birken-Mischwald, der in einigen Relikten heute noch erhalten geblieben ist, so in dem ein Hektar großen "Hudewald" am Fuße des Lünsberges. Die Bauern des Mittelalters nutzten aus Mangel an Weidenland den Wald als Viehtrift. Verbiss vernichtete ihn, und die Landschaft verheidete. Die Heide, erst wenige hundert Jahre alt, musste ihrerseits um die Mitte des vorigen Jahrhunderts nach der Markenteilung der Kiefer weichen. Günstig gelegene Teile an Hängen und in Tieflagen wurden der Ackerwirtschaft nutzbar gemacht.
Hochgelegene Flächen innerhalb heutigen Gemeinde sind jedoch schon früh gerodet worden; hier entstanden dank des leicht zu bearbeitenden Bodens und der oft günstigen Wasserverhältnisse Ackerfelder, die bis in die Vorzeit zurückreichen.
Schon in der Altsteinzeit kam der erste Mensch in unseren Raum; am Tannenbülten wurde 1968 das erste Arbeitsgerät des Westmünsterlandes aufgefunden: ein Faustkeil, den vermutlich ein nomadisierender Neandertaler um 80.000 v. Chr. dort hinterlassen hat.
Aus der Mittelsteinzeit um 5000 v. Chr. stammen gleichfalls am und auf dem Tannenbülten Steinschlagstätten, in denen Mikrolithen, das sind Kleinstgeräte, hergestellt wurden.
Im Jahre 1957 wurde das Wasserwerk Velen-Ramsdorf gebaut. Auf den höchsten Punkt der "Berge", den Tannenbülten mit 103 m, kam der Hochbehälter. Ausgerechnet hier lagen mehrere Hügelgräber, deren Untersuchung daher notwendig wurde. Beim Abbau des größten Einzelgrabes (25 m Durchmesser bei 4 m Höhe) aus der Älteren Bronzezeit kamen zutiefst in der Oberfläche der alten Bodenhöhe eine Menge Steinschlagzeug und Abschlag-Kernstücke ans Tageslicht: die Beobachtung konnte auf den gesamten Nord- und Westrand der Bergkuppe erweitert werden. Hier war sicher ehemals der Werkplatz eines kunstfertigen Steinschmieds des Mesolithikums gewesen. In dieser Zeit, um 5.000 v. Chr., pflegten die nomadisierenden Jäger- und Fischervölker neben Großgeräten auch Kleinwerkzeuge aus Stein und Knochen zu benutzten. Diese Mikrolithen wurden durch Schlag oder Druck vom bodenfeuchten Feuerstein abgespalten; es entstanden Klingen, Stichel, Pfrieme, Angelhaken und Pfeilspitzen. Der Abschlag aber blieb am Boden liegen.
Der Arbeitsplatz war sehr gut gewählt. Inmitten des Fang- und Jagdgebietes des Horde lag er auf luftiger, trockener Höhe. Ein einfaches Schleppdach aus Reisig oder Riet schützte vor den Unbilden der Witterung. Nach Ost und Südost lag der vom Gletschereis ausgehobelte und vom Schmelzwasser des zurückweichenden Eises ausgefüllte 25qkm große See, den nachmals das Schwarze und Weiße Venn bedeckten und der heute längst Kulturland geworden ist. Der Fischreichtum wird die Horde wenigstens für den Sommer sesshaft gemacht haben; einfache Hütten mit Reisig und Schilf als Dach und Lager, mehrfach im norddeutschen Raum beobachtet, belegen es. Das umliegende Land war bedeckt mit riesigen Eichenmischwäldern, heute noch erhalten im NSG Hudewald am Lünsberg. Hier waren Hirsch und Reh, Bär und Wildschwein sowie Wolf und Wildkatze willkommene Beute. Daneben konnten Frauen und Kinder der Sammlertätigkeit nachgehen. Wildgräser und Hasselnüsse sind als Brotgetreide verwendet worden.
In der Jungsteinzeit (2.200- 1.800 v. Chr.) treffen wir in unserer Gemeinde auf die ersten Ackerbauer, die mit Holz- und Steinhacke oder mit dem Hakenpflug den Boden bearbeiteten. Sie wohnten in rechteckigen, festen Holzhäusern; diesen entsprechend errichteten sie die Ruhestatt ihrer Toten, das Steinkammergrab, wie z.B. die "Düwelsteene" (s. Abb. 1).
Abb.1: Das jungsteinzeitliche Steinkammergrab "De Düwelsteene"
"Und dann schüttete der Teufel den Sack mit den riesigen Felstrümmern, die er im nordischem Eis gesammelt hatte, um Karls Dom in Aachen zu zerstören, aus, als er nämlich hörte, dass man auf dem Weg von dort 16 Paar Schuhe verschlissen habe." So stellt sich das Volk die Entstehung der "Düwelsteene" bei Heiden vor. Freilich sind die mächtigen Blöcke vom hohen Norden gekommen; die Gletscher der Eiszeit haben Granite, Diorite und Syenite auf ihren gewaltigen Schultern mitgebracht. Nach dem Abtauen des Eises blieben diese erratischen Blöcke oder Findlinge wahllos verstreut in unserem Land liegen, bis um 4000 v. Chr. hier die ersten Bauernvölker sich sesshaft machten. Die Jungsteinzeitler bauten Weizen , Gerste, Hirse und Hülsenfrüchte an sowie Flachs zur Herstellung von Leinen. Haustiere hielten sie in denselben Arten wie heute; das Futter fanden die Tiere in den Talauen und im Hudewald. Dorthin trieben sie auch rodend die Getreidefelder vor. Der Nahrungserwerb bedingte gegenüber den Mittelsteinzeitlern feste Wohnsitze; die ersten Häuser treten in Form von rechteckigen Holzbauten auf. Im Becking bei Borken und in der Winkelhauser Heide bei Rhede sind Anlagen dieser Zeit angeschnitten worden.
Ihre Kunstfertigkeit zeigten die neuen Bewohner nur in der Vielzahl der Töpfereierzeugnisse, es treten Doppelbecher, Kragenflaschen und Schüsseln auf. In den weichen Ton drückte man starke Einkerbungen, die mit Kalk ausgestrichen die schönen Formen stärker hervortreten ließen. Tiefstichkeramik nennt man diese Art. Das Wohnhaus wurde für unsere Leute das Vorbild für das Grabmal der Toten, die Steinkammer. Aus natürlich frommer Gläubigkeit setzten sie ihren Ahnen ein Denkmal, das nun schon 4000 Jahre überdauert hat. Zum Aufbau benutzten sie die z.T. tonnenschweren Findlinge. Generationen haben Hebel, Rollen und Kufen für das Zusammenschaffen eingesetzt. Zu ebener Erde wurden die Wandsteine über eine Länge von 21m mit der flachen Seite nach innen aufgerichtet; darüber kamen die mächtigen Decksteine; der Boden wurde mit glatten Kieseln ausgelegt, so dass ebener Estrich entstand. Ein Erdhügel überdeckte die Bestattung. In die Totenkammer führte ein Grabgang, der durch einen leicht beweglichen Wandstein abgeschlossen wurde. Die Bestattung erfolgt im vorderen Teil der Kammer, aus der zunächst Gebein der Vorbestattung in den rückwärtigen Teil geschaffen worden war. Dem Toten wurde in Gefäßen Speise und Trank mitgegeben.
Bei der letzten Untersuchung des Grabhügels 1931 konnten diese Einzelheiten noch recht gut festgestellt werden. Gleichzeitig bot sich die Gelegenheit, die Gesamtanlage wieder zu richten, da durch wilde Grabungen und Fortschleppen ein wüster Trümmerhaufen übriggeblieben war. Am Fuße des Hügels, dort wo die Aufschüttung ansetzte, konnte wenigstens stückweise ein Steinkranz, der Bannkreis der Ruhestätte, festgestellt werden. Waffen und Geräte wurden in dem Grabe nicht mehr gefunden, sie sind sicher schon früher verschleppt worden. Im ganzen Kreisgebiet ist jedoch manches Steinzeug festgestellt worden, das unsere Heimatmuseen gern zeigen. Besonders schöne Stücke sind die Steindolche von Reken, Raesfeld und Heiden (s. Abb. 2 u. 3).
Abb.2: Steindolch, gefunden von dem Schüler Georg Rohring im
Oktober 1969, ca. 300 m südlich der "Düwelsteene
Abb.3: Steinaxt aus der Jungsteinzeit, gefunden von dem Schüler
K.H. Picklum, Nordick, im Jahre 1970. Im Hintergrund die vor- und
frühgeschichtliche Sammlung der Hauptschule Heiden.
Auch die nachfolgenden Bauernvölker der Bronze- und Eisenzeit fanden hier günstige Arbeitsbedingungen; Wohnplätze sind bisher nicht gefunden worden, doch scheint nach aufgetretenen Funden östlich des Römersees eine Siedlung gelegen zu haben. Die Bestattungsanlagen in der Uhle, im Frankenhusen, im Brennerholt und an der "Kollen Becke" besagen jedoch, dass Wohnplätze in der Nähe gelegen haben müssen: sie dürfen da zu suchen sein, wo heute unsere Bauernhöfe liegen. In der Uhle wurde ein besonders wichtiger Fund gemacht, eine Baumsargbestattung, die von einem Schlüssellochgrab überdeckt war, aus dem schon 1898 ein jungbronzezeitliches Steilhalsgefäß geborgen wurde (Abb. 4).
Abb.4: Baumsargbestattung in der Uhle (Frühbronzezeit) Ausgrabung 1957
In der Uhle liegt eines der großen Grabfelder, die in unserer Gegend noch häufig anzutreffen sind. Einige Gräber, die durch ihre Lage (auf einer Waldschneise) gefährdet waren, wurden um Pfingsten 1957 von Schuljungen aus Heiden durchsucht. Von einem dieser Hügel weiß man, dass schon 1898 Dr. Conrads aus Borken hier eine Graburne bergen konnte. Bei diesem Hügel waren die Fundumstände nun so verwickelt, dass Fachleute herbeigeholt wurden. Die folgende Untersuchung wurde ein gewiss nicht alltägliches Ereignis sowohl für die Heidener Schuljugend als auch für den Wissenschaftler. Es kam zunächst zur Aufdeckung eines Schlüssellochgrabes, dessen Bestattung jedoch schon herausgeholt worden war. Innerhalb der Umfassung konnte in geringer Tiefe eine Verbrennungsbestattung in einem Baumsarg freigelegt werden; die Orientierung war süd-nördlich, mit dem Kopf nach Süden. Der Fund stammt aus der Frühbronzezeit, als man von der Ganzbestattung zur Verbrennung überging. Der Tote ist hier noch in den Baumsarg gelegt und dann eingeäschert worden. Die Vorgänge lassen sich einigermaßen übersehen: der Baumsarg, vielleicht mit Fett angereichert, hat auf Holzstützen in einer nur wenig größeren Grube gestanden. In dem die Bestattung umhüllenden Reisigbrand wurde mit der Leiche auch der Baumsarg vom Feuer erfasst. Als die Leiche verbrannt und nur noch wenige Kalkteile der Knochen übrig geblieben waren, hat man die Grube zugeschüttet, wobei der Schüttungssand sich rot färbte. Die Luftzufuhr war schwach, so kam es nur zu einer unvollständigen Verbrennung des Holzes, und der Baumsarg hat sich in diesem verkohlten Zustand erhalten bis auf den heutigen Tag.
Der Fund wurde ganz geborgen und nach Münster gebracht, wo er demnächst ein erstklassiges Ausstellungsstück in dem neuen Landesmuseum sein wird; die Heidener Schuljugend aber kann für sich in Anspruch nehmen, diese höchst seltene und für Westfalen bis dahin einmalige Bestattung gehoben zu haben.
Eifrige Mitarbeiter holten aus einem benachbarten Schlüssellochgrab eine Urnenbestattung heraus.
Der "Dodenkerkhof" in der "Uhle", Heiden-Nordick, hat von jeher die Aufmerksamkeit nicht nur der Anwohner, sondern auch von Heimatforschern und Wissenschaftlern erregt. Die mehr oder minder hervortretenden Bestattungen aus der Vorzeit haben dem Gelände die treffende Bezeichnung gegeben. Das Grabfeld, es dürfte etwa 30 Morgen groß sein, trägt am Nordrand einen Grabhügel, den "Kikebülten", der mit seiner Höhe von 83,20 m noch heute eine gute Aussichtsmöglichkeit über den Deel und die Talaue des Vennbaches bietet.
1928 gruben hier Dr. Conrads und Direktor Hinsken; sie hoben die schön verzierte, weitbauchige Urne, der Stolz der Heidener Sammlung. 1957 kam der Baumsarg ans Tageslicht, gleichfalls die Schlüssellochumrahmung zum Fund von 1898, dazu ein weiteres Urnengrab. 1964 konnte in einem Kreisgraben eine Brandbestattung ausgemacht werden. Auf dem bewuchsfreien Acker des Bauern Schlusemann zeichneten sich im Herbst 1966 hellere Stellen ab, eine dieser wurde auffällig durch die Anhäufung von aufliegenden, meist faustgroßen Geschiebebrocken. Ein Suchgraben wurde gezogen; in 20 cm Tiefe unter der Humusdecke zeigte sich eine stark angenagte Steinsetzung in Form eines etwa ovale Ringes. Die Stärke dieses Trockenmauerrings betrug 40 cm, seine lichte Weite 2,50 m. Die Bestattung konnte nicht festgestellt werden. Wahrscheinlich ist sie dem Dampfpflug zum Opfer gefallen, den der Pionier moderner Bodenkultur, Graf Max von Landsberg 1900 hier eingesetzt hat, um die Ödländereien urbar zu machen.
Bronze- und frühe Eisenzeit 15000-500 v. Chr. sind also auf engem Raum vertreten durch vier Bestattungsformen: Baumsarg, Schlüssellochgrab, Kreisgrab mit Holzeinbau und Steinkranzbestattung. Fund 1 und 4 gehören der älteren Bronzezeit an, während 2 und 3 in die jüngere Bronze- bis frühe Eisenzeit zu setzen sind.
Zu Beginn des ersten Jahrhunderts n.Chr. wurde der hier ansässige Stamm der Kleinen Brukterer von den aus dem Bataverlande vorstoßenden fränkischen Chamaven verdrängt, die bis an die oben erwähnte Moor-Heide-Zone sesshaft wurden. Trotz mannigfacher Völkerbewegungen und dem Abzug überschüssiger Volksteile ist unser Raum nie von der Chamavischen Urbevölkerung entblößt worden; der spätere Gau Hamaland ist der beste Beweis dafür. Die mannigfachen Grabfunde auf der Linie Dingden - Erle - Lembeck, die der merowingisch-fränkischen Zeit angehören, führten seit langem zu der Ansicht, dass man hier auch die Grenzscheide zwischen Sachsen und Franken zu suchen habe. Daran änderte auch nichts die Tatsache, dass im Raume Borken-Ramsdorf einige fränkische Gefäße auftauchten, und dass bei den Wiederaufbauarbeiten von St. Remigius in Borken 1952 in einer dunklen Verfärbungsschicht, die als Bestattungsplatz zu deuten war, das Bruchstück eines rädchenverzierten fränkischen Knicktopfes, dem 6./7. Jahrhundert angehörend, neben späterer karolingischer Kugeltopfware aufgedeckt werden konnte.
Wo waren aber die Sachsen sesshaft gewesen? 1935 kam an der Müggenborg vor Gemen ein sächsisches Gefäß innerhalb einer umfangreiche Schmiede- und Schmelzanlage ans Tageslicht. Vereinzelte Spuren wiesen auch in Borken - Hoher Esch und in Bocholt an der Schwanenstraße auf Niederlassungen hin.
Im 7. Jahrhundert drangen die Sachsen in unseren Raum ein und stießen bis zur Issellinie vor. Während bis vor wenigen Jahren sächsische Siedlungen nur im östlichen Münsterland, in Warendorf und Beckum, bekannt waren, muss es der Volksschule Heiden als Verdienst angerechnet werden, dass 1963 an der Ringstraße ein sächsischer Friedhof aufgedeckt werden konnte.
1965 wurde die Grabung fortgesetzt und wieder zeigten sich Gräber. Im ganzen konnten bisher vier Grabstätten aufgedeckt werden. Etwa in der Mitte der Baugrube lag eine Körperbestattung in Ost-West Richtung unter dem Dünensand in 1 Meter Tiefe: seitlich 1/2 m tiefer, erschien bald die Sargumrahmung eines Grabes in Nordsüd-Lage. Erstere hatte keinerlei Beigaben, und die Lage lässt auf eine christliche zu Beginn des 9.Jahrhundert schließen. In Nordsüd-Richtung aber bestatten unsere heidnischen Vorfahren ihre Toten; auch die Beigaben weisen darauf hin. In unserem Falle hat es sich um ein Frauengrab zu Ende des 8. Jahrhunderts gehandelt. Neben dem Leichenschatten lagen in Hüfthöhe zwei Messerchen, auf der Brust eine Silberfibel auf Eisenkern und weiter oberhalb Reste einer Bernsteinkette. Die beigegebene Urne ist ein schalenförmiges Gefäß, der eingezogene Hals knapp bemessen; auf dem Schulterumbruch sind Stempelverzierungen angebracht, vier Ösen ließen die Benutzung als Tragegefäß zu. Es gehört der sächsischen Periode an, demnach stammen beider Gefäße aus der Übergangszeit vom Heiden- zum Christentum. Die zweite Untersuchung war gleichfalls erfolgreich. Zwei Bodenverfärbungen wiesen eindeutig auf Gräber ihn. Das erste, beigabenfrei, war wieder als christlich anzusprechen; von der Bestattung waren nur einige Schädelknöchelchen und vier Zähne übriggeblieben. Das zweite Grab war von einem Kreisgraben umgeben, dessen Füllung mit Scherbenbruch der Bronzezeit durchsetzt war. Ob gewollt oder zufällig nahm das Innere ein Kammergrab ein, einen Grabschacht, der eine Wandverkleidung aus Bohlen gehabt hatte. Die Bestattung war in Ostwest-Lage erfolgt; ein Gefäß und ein Schwert waren beigeben (Abb. 5).
Abb.5: Grab eines sächsischen Kriegers auf dem Wehrkamp, in
der Bildmitte rechts das Schwert, links das Beigabengefäß
Ausgrabung Herbst 1963
Ersteres ist weitbauchig mit kurz gedrungener Öffnung, 18,5cm hoch; letzteres ist das einschneidige Hiebschwert, Sax genannt, das als schwere Kampfwaffe bis ins Mittelalter gebraucht wurde; die beschlagene Lederscheide und der Holzgriff sind noch gut erhalten. In der Sandhülle fanden sich zudem ein Messer und einige nicht weiter zu bestimmende Eisengeräte. Bei dieser Bestattung dürfte es sich um einen christliche Sachsenkrieger handeln, der sich nach heidnischer Sitte aufgrund alten Rechtsbrauches mit Waffen und Waffenrock, dem Heergewäte, in einem vorzeitlichen Grabhügel bestatten ließ. Aus gleichem Grund hatte das vorgenannte Frauengrab Anspruch an die Gerade, den Schmuck und die Kleidung.
Zu dem Friedhof gehört eine Siedlung. Sie ist wahrscheinlich in Richtung auf das Dorf hin zu suchen, dort, am Westrand des Wehrkampes, soll der Volksmeinung nach auch die erste Dorfkirche gestanden haben. Es ist durchaus möglich, dass hier der Hof Heithene gelegen hat, der in den Werdener Hofregistern des 9. / 10. Jahrhunderts genannt wird.
Eine entscheidende Phase trat für unser Land ein, als der Frankenkönig Karl d. Gr. mit "Schwert und Kreuz" eindrang. 779 n. Chr. schlug er "bei einem Orte, der Bouchold" hieß (das heutige Bocholt) die Sachsen; diese zogen sich unter hinhaltendem Widerstand auf den Raum am Coesfelder Berg und bei Darup zurück. Nach ihrer Niederwerfung - Paderborner Kapitularien und Verdener Blutbad - sowie nach der tauf Widukinds wurden Westfalen und Engern dem fränkischen Reiche eingegliedert. Sogleich setzte die Missionierung ein. " Der König verteilt das Land unter Bischöfe und Priester, aber auch Äbte, damit sie darin tauften und predigten", heißt es bei Altfried, dem zweiten Nachfolger Liudgers. Vielleicht schon damals "wurde ein gewisser geistlicher Abt Bernrad den Westsachsen vom König als Lehrer gesandt". Bei seinem Tode (792) hinterließ er ein noch weites heidnisches Gebiet, das nur oberflächlich christlich geworden war und einzelne christliche Kernzellen aufwies. Manche Pfarre wird ihm ihren Ursprung verdanken; so Borken, da unter dem Mittelschiff von St. Remigius eine fränkische Königskappelle aufgedeckt werden konnte. 804 wurde der Friese Liudger Bischof eines neugegründeten Bistums, das die Missionsgebiete Friesland und Münsterland umfasste. Bischofssitz wurde das alte Gauheiligtum Mimigerneford, später Monasterium, Münster. Liudger sah seine Hauptaufgabe darin, "an alle Orten Kirchen zu gründen und ihnen Geistliche zuzuordnen". Es wird nirgends berichtet, dass er noch Erwachsene getauft hat; offensichtlich "bedurfte es aber großer Mühe, die Dornen des Heidentums auszurotten und das Wort Gottes an allen Orten zu säen". So könnte also der Kern der Sage zu verstehen sein, dass der nicht gerade fromme Wunsch des Heiligen, "weil ihr so lange am Heidenglauben festgehalten habt, soll euer Ort den Namen ,Heidenī führen", mitbestimmend für die Namensgebung gewesen ist.
Quelle:
Heidener Schriften - Band 1
Beiträge zur Geschichte der Gemeinde Heiden
herausgegeben von Ludger Kremer und Bert Sniers
Heimat- und Verkehrsverein Heiden/Westf. 1975
(C)Ludgerusschule Heiden