(1) Ein schweres Schicksal

Bomber über Heiden

An einem sonnigen Frühlingstag im März 1944 saßen meine Eltern, meine zwei Geschwister und ich in der Küche und aßen unser Mittagsessen. Wir waren noch alle ziemlich aufgeregt, da vor einer Stunde wieder feindliche Flieger unser Haus überquert hatten und wir, wie immer im Keller Schutz suchen mussten. Als wir mit dem Essen fertig waren, sagte meine Mutter zu mir, dass ich die Pferde und Kühe füttern sollte. Da das Füttern sehr viel Arbeit machte, fragte ich meinen Bruder, ob er nicht mitgehen wolle, um mir zu helfen. Doch meine Mutter erlaubte es nicht, da im Haus noch sehr viel zu tun war.

Also machte ich mich allein auf den Weg zum Stall. Da ich erst 14 Jahre alt war und sehr viel Angst vor Soldaten hatte, erschrak ich bei dem kleinsten Geräusch. Beim Stall angekommen, fing ich sofort an, die Pferde zu füttern, da ich schnell wieder zu meiner Familie wollte. Plötzlich hörte ich ein Flugzeug. Ich erschrak, da mir das Geräusch in den Ohren dröhnte. Als ich aufschaute, sah ich nur noch, wie das Flugzeug etwas fallen ließ. Eine Sekunde später hörte ich einen donnernden Aufschlag. Ich bekam panische Angst. Dann hörte ich voll Todesangst das Schreien meiner Eltern. Meine Knie wurden weich, und ich drohte zusammenzusinken. Ich dachte nur noch: "Wo ist meine Familie?" Mit Rufen und Schreien nach ihnen rannte ich zum Haus. Ich stand vor der Tür, öffnete sie, und was ich da sah, werde ich in meinen Leben lang vor Augen haben. Meine Eltern lagen blutüberströmt auf dem Boden. Mein Bruder lag mit zerstückelten Armen und Beinen neben ihnen. Meine Schwester stand im Wohnzimmer. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf das Blutbad, dabei stammelte sie etwas, was man nicht verstehen konnte.

Als mir bewusst wurde, was geschehen war, warf ich mich auf den Boden und schrie nach meiner Familie. Wie sich später herausstellte, schlug eine Granate in der Zeit in das Haus ein, als meine Schwester im Wohnzimmer saß und meine Mutter gerade den Mittagstisch abräumte. Mein Vater und mein Bruder unterhielten sich. Die Granate schlug mitten zwischen ihnen ein und zerstörte unser Familienleben.
(Hiltrud Finke)