Die Tiefflieger waren ständig in der Luft. Sie schossen auf alles, was sich bewegte. Die schönen Frühlingstage wurden zum Schrecken. Die Katastrophe bahnte sich an. Ein brutaler, sinnloser Krieg breitete sie vom Rhein aus ins Münsterland hinein. Die SS hetzte noch kurz vor dem Ende die Bevölkerung auf und ordnete auch in Heiden sinnlose Arbeiten an. Es mussten Panzersperren und andere Hindernisse errichtet werden, die den Vormarsch der Engländer aufhalten sollten. Soldaten auf dem Rückweg wurden in Heiden einquartiert. Das wenige Essen, was man hatte, musste noch wieder geteilt werden. Immer wieder neu mussten Schützengräben und Trichter gebaut werden, die der Bevölkerung zum Schutz gegen die Tiefflieger dienen sollten. In der Uhle wurde ein Artilleriegeschütz aufgestellt. Das sollte die englischen Truppen abwehren und noch für einige Stunden aufhalten. Daran dachten die Befehlshaber nicht, dass bei Beschuss von der deutschen Seite aus die Engländer voll zurückschlagen und noch mehr zerstören würden. Das Dorf sollte noch bis zuletzt verteidigt werden! Schützengräben sollten als Deckung dienen. Doch daraus wurde Gott sei Dank nichts. Denn es wurde kaum noch Widerstand geleistet, weil man kriegsmüde und jede Verteidigung sinnlos war. Durch Maschinengewehre lassen sich Panzer nicht aufhalten. Jeder wartete auf den Einmarsch, damit endlich der Krieg vorbei war. Doch die Tage und Wochen vorher waren die schlimmsten des Krieges. Man konnte sich schon nicht mehr auf die Straße wagen, weil die Tiefflieger der Engländer die Luft beherrschten. Man kann von Glück sprechen, dass die vielen Bunker, die vor Splitter schützten und aus Holzpfählen gebaut waren, nicht getroffen wurden. Als die vollbepackten Bomber mit schweren Bomben kamen, hatte man nicht so große Angst, weil man die Schutzbunker hatte.
Auf dem Hinweg der Flugzeuge zum Ruhrgebiet war es für Heiden verhältnismäßig ungefährlich. Kamen die Flugzeuge aber zurück, warfen sie oft auf dem Lande noch die restlichen Bomben ab. Wenn man nicht immer wieder das Feld und die Wiesen von den Bombensplittern geräumt und die Trichter eingeebnet hätte, dann wäre nicht mehr viel gewachsen.
So allmählich kam das lang ersehnte Ende der Naziherrschaft näher. Natürlich kam damit auch die große Angst, dass beim Durchzug der Engländer vielleicht noch Kämpfe stattfinden könnten. Zwei Tage lang saß man fast ununterbrochen im Bunker, weil sich die Angriffe häuften. Doch man war sich sicher, dass die Engländer bald kommen würden. Der englische Rundfunk meldete Siege. Den fremden Sender zu hören, war streng verboten, aber es wurde doch ab und zu getan.
Bei Tacke war ein Offizier einquartiert. Ein deutscher Meldefahrer kam mit dem Motorrad. Der Mann sagte zum Offizier, dass man sich zum Rückzug bereitmachen sollte. Die Engländer seien schon kurz vor Raesfeld. Man atmete auf, weil dann endlich die Offiziere und Soldaten vom Hof gingen. Es kam aber auch gleichzeitig die große Angst auf. Alle gingen in den Bunker. Man wartete in Todesangst ab, was geschah. Ab und zu ginge mal einer nach draußen und schaute nach, wie es stand. Man hörte Schüsse aus Richtung Raesfeld und Heiden. Wir hatten natürlich weiße Fahnen aufgehängt. Auf die Kirchturmreste wurden noch Schüsse abgegeben. Von wem die kamen, wusste niemand, ob von den Deutschen oder von den Engländern. Nach einiger Zeit sagte einer, der gerade aus dem Bunker geschaut hatte: "Die Engländer ziehen über den Weg. Ein paar von ihnen kommen auf den Bunker zu." Wir riefen nur: "Nicht schießen, nicht schießen!" Die Engländer sagten: "Wir nicht schießen, schießen nur Nazis!" Alles war erst mal froh, dass der Krieg und die Einnahme des Ortes vorbei waren. Jetzt war alles wieder einigermaßen ruhig. Nun aber kam die Einquartierung der Engländer. Sie beschlagnahmten alles, was sie gebrauchen konnten. Die Nachbarn wurden in ein Haus gedrängt. Die anderen Häuser wurden alle beschlagnahmt. Tackes Nachbarn waren alle bei der Familie Tacke einquartiert. Sie durften nur noch zum Füttern nach Hause, und das unter strenger Bewachung. Die meisten Scheunen und Häuser wimmelten von Soldaten. Sie holten sich die Eier von den Bauern, weil die nicht vergiftet werden konnten. Stellenweise wurden Lebensmittel vergiftet, so erzählten wenigstens einige Engländer, die etwas Deutsch konnten. Die jungen Frauen und Mädchen mussten aufpassen, dass sie nicht vergewaltigt wurden. Wurden sie von Soldaten belästigt, und es kamen Offiziere dazu, dann kehrte wieder Ruhe ein. Nach ungefähr 8 Tagen zogen die Soldaten wieder ab. Auch die Leute aus dem Dorf, die in der Uhle und bei den Bauern waren, konnten wieder in ihre Häuser ziehen.
(Bernhard Brüninghoff)