Am Tag, bevor der Krieg zu Ende ging, zog ich mit einem Handkarren, auf dem einige warme Sachen und etwas zu essen waren, aus dem Dorf. Täglich wurden wir von Tieffliegern angegriffen. Sie beschossen vor allem Züge und Kirchen, auch wurden Fahrzeuge und Menschen angegriffen, die auf der Straße waren. An allen Straßenrändern waren Einmannlöcher gegraben, in die man bei einem Jabo-Angriff springen und sich in Sicherheit bringen konnte. An allen Enden des Dorfes waren von den Holländern, die in Deutschland arbeiten mussten, Panzersperren errichtet worden. Sie sollten, wenn der Feind in Heiden einzog, geschlossen werden.
Ende März war es dann soweit! Alle Bewohner sollten das Dorf verlassen. Nur ein paar Männer, die bei der Feuerwehr waren, mussten bleiben. Darunter war auch mein Vater. Tage, zuvor hatten wir die Kühe, Wäsche und Lebensmittel aus dem Dorf gebracht und bei Verwandten in der Bauerschaft untergebracht. Ich war mit meinen Brüdern bei Verwandten auf einem Bauernhof untergebracht. Es war eine unheimliche Stille, bevor Heiden angegriffen wurde, es war wie die Ruhe vor dem Sturm. Dann ging es los! Plötzlich wurde mit Granaten und Brandgeschossen das Dorf angegriffen. Überall standen Häuser in Flammen. Darunter auch das Haus meines Nachbarn.
Wir selber hatten ein altes Haus mit ziemlich undichten Dachziegeln. Ein Glück, dass Vater bei der Feuerwehr war. Vom Nachbarhaus aus flogen immer wieder Funken auf unser Dach. Da wir den ganzen Balken voller Stroh hatten und die Funken immer wider aufs Stroh flogen und das Stroh entzündeten, hatte Vater alle Hände voll zu tun, um es zu löschen. Immer wider tauchte er Säcke ins Wasser und legte sie aufs brennende Stroh. Einmal sah es aus, als ob er es nicht mehr schaffen würde, denn das Stroh brannte an mehreren Stellen. Dabei war die Gefahr doppelt so groß, denn nicht nur das Feuer war gefährlich - Granaten, die im gesamten Dorf einschlugen, vermehrten die Gefahr. Noch einmal nahm Vater seine ganze Kraft in Anspruch und versuchte, die zahlreichen Feuerchen zu löschen. Mittlerweile waren die Amerikaner in Heiden eingezogen. Die Panzersperren waren geschlossen, aber die Amerikaner schoben sie mühelos mit ihren Panzern zur Seite. Vater war schnell in einen Bunker gelaufen, die besonders für die Zivilbevölkerung gebaut waren, um sich vor Bombenangriffen zu schützen. Kaum war er da in Sicherheit, kam auch schon ein amerikanischer Offizier in den Bunker, bat alle um Ruhe und fragte, ob auch noch deutsche Soldaten hier sein. Vater fragte ihn, ob er nach Hause dürfe, da sein Haus sonst abbrennen würde. Der Amerikaner sprach etwas Deutsch. Vater konnte sich gut mit ihm verständigen. Der Soldat war so freundlich und brachte Vater nach Hause, wo er ungestört weiter löschen konnte.
Wir, die wir auf einem großen Bauernhof untergebracht waren, sahen die Panzer von weitem kommen. Unsere Herzen klopften in banger Erwartung. Mutter und ein Bruder von mir machten sich eine weiße Fahne und liefen den Siegern entgegen. Zuerst hatte man wohl nicht erkannt, dass Zivilisten ihnen entgegen kamen, denn die Soldaten gaben noch ein paar Schüsse ab. Dann aber hatte man sie als ungefährlich erkannt, und sie konnten ruhig weitergehen. Auf dem Bauernhof war ein polnischer Gefangener, der lief mit einem Körbchen voll Eiern den Panzern entgegen und freute sich auf seine Befreier. In der Scheune lagen noch schlafende deutsche Soldaten, die sich freiwillig ergaben. Nun war für uns der Krieg zu Ende!
In Heiden waren 24 Häuser total zerstört. Auch waren einige Soldaten und Zivilisten zum Kriegsschluss noch ums Leben gekommen.
(Gerda Vahling )